So billig wie ’ne Wurst

FRAUENFUSSBALL Die Stadien sind voll und die DFB-Elf spielt vielversprechend: Bei der WM der Juniorinnen testet man schon mal, was bei der WM 2011 in Deutschland alles möglich ist.

■  Der Plan: Heute beginnen die Viertelfinalspiele bei der Fußball-WM der unter 20-Jährigen. Schweden trifft auf Kolumbien (11.30 Uhr), Deutschland auf Nordkorea (18 Uhr in Bochum). Am Sonntag spielen die USA gegen Nigeria, Mexiko spielt gegen Südkorea.

■  Die Orte: Die Stadien in Augsburg, Bielefeld und Bochum führen während der WM ihre durch Sponsorenverträge erhaltenen Namen nicht, die Bezeichnungen änderten sich in „Fifa WM-Stadion“, einzig das Rudolf-Harbig-Stadion in Dresden behielt seinen Namen. Zur WM wurden die Kapazitäten jeweils deutlich reduziert.

■  Die Fakten: Das deutsche Team von Trainerin Maren Meinert führt zwei Statistikwertungen an. Die Elf hat die meisten Tore pro Spiel (3,7) erzielt, und Angreiferin Alexandra Popp ist bislang die erfolgreichste Torjägerin mit 6 Teffern – vor Sydney Leroux (USA, 5).

VON JOHANNES KOPP

Es wurde wieder eine Stauwarnung für den Samstag ausgesprochen. Dieses Mal für den Stadionbereich in Bochum an der Castroper Straße. Hier trifft heute im Viertelfinale der U20-Weltmeisterschaft Deutschland auf Nordkorea (18 Uhr, Eurosport). Das Organisationskomitee des Turniers erklärte, es müsse erneut mit einem großen Zuschauerandrang und langen Warteschlangen gerechnet werden. Ein Jahr vor dem Beginn der Weltmeisterschaft in Deutschland präsentiert sich der Frauenfußball schon im Testlauf als massenkompatible Sportart.

Durchschnittlich 22.000 Zuschauer sahen die drei deutschen Vorrundensiege gegen Costa Rica (4:2), Kolumbien (3:1) in Bochum und gegen Frankreich (4:1) in Augsburg. Werden deutsche Spielerinnen derzeit zur jeweiligen Stadionatmosphäre befragt, dann fällt verlässlich das Wort „Gänsehaut“. Auch Marina Hegering, die Spielführerin, spricht von diesem unglaublichen Kribbeln auf der Haut. Sie habe allenfalls mit halb so vielen Zuschauern gerechnet.

Wandertage ins Stadion

Wie ist das große Interesse zu erklären? In den WM-Städten scheint eine bestens abgestimmte Mobilisierungskampagne zu wirken. Frauenfußball wird hier erfolgreich als Event vermarktet. Ganz neu ist dieses Phänomen nicht. Selbst im Frauenfußballentwicklungsland Chile schafften es vor zwei Jahren die Veranstalter der U20-WM, die Stadien bisweilen mit 10.000 Zuschauer zu füllen. In Deutschland hat man diese Kunst weiter perfektioniert. Prominente Botschafter wie Steffi Jones, die Präsidentin des WM-Organisationskomitees 2011, warben an den Spielorten für das Juniorinnenturnier. Mit der Einbindung von Schulwandertagen und Jugendabteilungen von Sportvereinen holte man sich ein begeisterungsfähiges Publikum auf die Ränge. Die Eintrittspreise liegen im günstigsten Fall (2.50 Euro) auf Stadionwurstniveau.

Das sei aber nur die eine Seite der Medaille, erklärt Marina Hegering. „In Deutschland ist auch das Bewusstsein gewachsen, dass Frauen schönen Fußball spielen können.“ Damit diese Entwicklung anhält, hat der DFB auch im sportlichen Bereich all seine Mittel ausgeschöpft. Mit Bianca Schmidt, Kim Kulig und Alexandra Popp wurden drei A-Nationalspieler „runtergeholt“, wie Hegering das nennt. Kulig und Schmidt trugen im letzten Jahr noch dazu bei, dass das A-Team in Finnland Europameister wurde. Als Degradierung dürften sie ihren Einsatz bei den Juniorinnen dennoch kaum empfinden, haben sie doch selten die Gelegenheit, vor so vielen Zuschauern aufzutreten.

Anders als bei den Männern, wo vor wenigen Wochen in Südafrika etliche U21-Europameister dem deutschen Spiel neuen Schwung verliehen, ist für die Frauen der Weg ins A-Team deutlich beschwerlicher. Trotz der bislang sehr überzeugenden Auftritte glaubt Hering eher nicht, dass diese U20-Weltmeisterschaft einigen als Sprungbrett fürs Team von Bundestrainerin Silvia Neid dienen wird: „Die Nationalmannschaft ist ein eingespielte gutes Team, da wird man nicht viel verändern.“

„Wir müssen als Team funktionieren. Ich bin ja von den Zuspielen der anderen abhängig“

ALEXANDRA POPP

Gerade Hegering wäre eigentlich prädestiniert für eine Beförderung. Bei dieser U20-WM hat sie im harmonischen Zusammenspiel mit der A-Nationalspielerin Kulig eine gute Übersicht und Zweikampfstärke im defensiven Mittelfeld bewiesen. Doch Hegering wiegelt ab: „Ich glaube nicht, dass die Bundestrainerin bei einer Weltmeisterschaft auf der Sechserposition zwei 20-Jährige spielen lässt.“ Alexandra Popp, die mit ihren bislang sechs Treffern die Torschützenliste der U20-WM anführt, gehört zwar zum erweiterten Kreis des Nationalteams, doch dort darf sie trotz ihres nachweislich guten Torinstinkts nicht im Sturm spielen, sondern wird als Mittelfeldspielerin eingesetzt. Bei ihrem Heimatverein, dem FCR Duisburg, fungiert sie gar als linke Außenverteidigerin. Wegen des hohen Qualitätstandards der Etablierten müssen die nachkommenden deutschen Talente vor allem ihre Flexibilität demonstrieren. Auch die einstige Stürmerin Bianca Schmidt wurde zur Abwehrspielerin umgeschult.

Nordkorea als Hürde

Ein Sieg gegen Nordkorea am Samstag würde das Prestige des deutschen Frauenfußballs weiter mehren. Es wird nicht leicht. Die Nordkoreaner sind bekannt für ihre vorzügliche Nachwuchsarbeit. Sie standen bei den letzten beiden U20-Weltmeisterschaften jeweils im Finale. Hegering hat noch nie gegen dieses Team gespielt, aber sie kennt die asiatische Schule: „Die werden wie üblich sehr lauf- und zweikampfstark sein und uns kaum Raum lassen.“ Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur für die Deutschen dieses Turnier so wichtig für das eigene Image ist. Bei Nordkorea stehen gar sieben Spielerinnen im U20-Kader, die schon einmal für das A-Team aufgelaufen sind.