Der Osten gehört auch zu Europa

EUROPAWAHL Sigmar Gabriel brachte seine Partei in Berlin gegen die Linkspartei in Stellung. Kandidaten aus den neuen Ländern wurden dafür auf der Liste nach vorne geschoben

Im Vorfeld hatte es Kritik an der West- dominanz der Kandidatenliste gehagelt

AUS BERLIN STEFAN REINECKE

Sigmar Gabriel weiß, was die EU bedroht. Mit der Linkspartei und Alternative für Deutschland (AfD) würden „sich die Feinde Europas verbünden“, so der SPD-Chef. „Die Linke ist eine Partei gegen die weitere europäische Entwicklung“, wettert er. Frontal griff der Vizekanzler Sahra Wagenknecht an. Die stellvertretende Fraktionschefin der Linkspartei habe in einem Interview gesagt, die EU sei ein Hebel zur Zerstörung der Demokratie. Das sei „ein dummer Satz“, so der SPD-Chef und erntete damit den Beifall der Delegierten des kurzen Doppelparteitages in Berlin, bei dem neben der Europaliste auch die neue Generalsekretärin Yasmin Fahimi gewählt wurde

„Links- und Rechtspopulisten setzen die EU aufs Spiel“, so Gabriels Losung. Kritische Anmerkungen zu Angela Merkels Europapolitik dagegen fehlten in seiner Rede. Der Vizekanzler lobte, dass die SPD derzeit so gute Beziehungen zu den Gewerkschaften habe wie seit Langem nicht mehr. Und: In der Großen Koalition seien die SPD-Minister „die Motoren der Bundesregierung“.

Am Ende stimmten 97,3 Prozent für Martin Schulz als Spitzenkandidaten für die Europawahl im Mai. Schulz ist Präsident des Europaparlaments und möchte Kommissionspräsident werden – die einflussreichste Position in der EU. Und: Erstmals spielt 2014 das Europaparlament bei der Wahl des Kommissionspräsidenten die entscheidende Rolle, laut Schulz eine „demokratische Revolution in der EU“. Schulz ist für einen EU-Politiker relativ bekannt und beliebt. Er argumentierte in Berlin weit differenzierter als Gabriel. Es sei falsch, jede Kritik an der EU „als europafeindlich“ zu diffamieren. Damit verstärke man antieuropäische Stimmungen.

Im Vorfeld hatte es Kritik der ostdeutschen Landesverbände an der Kandidatenliste gehagelt. Denn: Auffällig wenige Sozialdemokraten aus dem Osten schafften es auf sichere Listenplätze für das Europaparlament. Diese Westdominanz wurden von Ost-SPDlern vor allem angesichts der Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen 2014 als fatales Zeichen empfunden. Am Samstag hatte man daher die Liste noch verändert: Die ostdeutsche Sylvia-Yvonne Kaufmann rückte auf Platz 10 vor, Iris Hoffman aus Mecklenburg-Vorpommern auf Rang 26. Damit, so Gabriel, seien nun alle 16 Landesverbände auf den ersten 26 Listenplätzen vertreten. Allerdings: Sicher ist Platz 26 keineswegs. 2009 reichten 20,8 Prozent zu 23 Sozialdemokraten im EU-Parlament. Der sächsische SPD-Chef Martin Dulig, Hauptkritiker der Westdominanz, sagte der taz: „Ich bin froh, dass Sigmar Gabriel unseren Hinweisen gefolgt ist“, die Liste sei nun „ausgewogener“. Derzeit kann die SPD laut Umfragen mit etwa 26 Prozent rechnen – wenn es gut läuft.

Dass Kaufmann den besten Ost-Listenplatz hat, ist auch Teil der SPD-Strategie Richtung Linkspartei. Denn Kaufmann war bis 2009 für die Linkspartei im EU-Parlament – und trat aus Protest gegen die EU-Skepsis der Linkspartei in die SPD ein. Kaufmann ist die einzige halbwegs bekannte Politikerin der Linkspartei, die zur SPD wechselte.