UNEHRLICHER FINDER
: Ihr Geld

Was, wenn wir heiraten und Kinder kriegen würden?

Es ist so weit, endlich kann ich erzählen, was mir geschah, schließlich hat sie sich seit mehreren Wochen nicht mehr gemeldet. Jetzt heißt es: Ehrlichkeit ist die beste Medizin. Es war in den Morgenstunden, als ich mich auf den Rücksitz des nächstbesten Taxis fallen ließ und mich unbehaglich fühlte. Irgendetwas sorgte dafür, dass ich nicht einschlafen konnte. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass es sich um ein Portemonnaie handelte, und ich steckte es einfach ein.

Zu Hause angekommen entnahm ich 60 Euro sowie eine Monatskarte der BVG und durchforstete die restlichen Taschen. Es handelte sich um eine „Julia“ (der echte Name ist dem Autor bekannt), und sie besaß eine Menge Scheckkarten. Schließlich fand ich die Visitenkarte ihrer Universität in Heidelberg, rief dort an und meldete meinen Fund.

Kurz darauf klingelte mein Telefon, und Julia war dran. Ich erzählte ihr, dass das Geld leider nicht mehr drin gewesen sei, der Rest jedoch offensichtlich noch da, und wir verabredeten uns. Zuerst nur einmal, zur Übergabe, doch Julia war neu in der Stadt beziehungsweise nur zu Besuch und wollte offensichtlich Menschen kennenlernen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich lud sie zum Essen ein. Von ihrem Geld.

In der Folge trafen wir uns öfters, und mein schlechtes Gewissen nagte an mir. Was, wenn wir heiraten und Kinder kriegen würden? Wann sollte ich ihr sagen, dass ich das Geld genommen hatte? Am Hochzeitstag? Auf dem Sterbebett?

Einige Tage später fuhren wir gemeinsam mit der U-Bahn und wurden kontrolliert. Und dann geschah es. Mir wurde bewusst, dass ich die Monatskarte nicht vorzeigen konnte, immerhin bestand die Gefahr, dass sie diese wieder erkannte. Also fuhr ich offiziell schwarz und bezahlte später 40 Euro. Jetzt schulde ich ihr quasi nur noch 20.

JURI STERNBURG