Tiere tanzen dir was vor

GEORGE ORWELL In fließendem Denglisch: Showcase Beat Le Mot haben im Theater an der Parkaue Orwells „Farm der Tiere“ für das Performance-Theater zubereitet. Dann wird über Tiere, Tierbilder und Menschen nachgedacht

Das selbst gestrickte Denglisch bereitet den Sprechern sichtlich viel Freude

VON KATHARINA GRANZIN

Viele gute Dinge werden einem dadurch verleidet, dass sie in der Schule Pflichtlektüre sind. George Orwells „Farm der Tiere“ ist auch in dieser Hinsicht ein Klassiker. Dass die Truppe Showcase Beat Le Mot sich jetzt aufgemacht hat, die antistalinistische Parabel aus den 40er Jahren von den Füßen auf den Kopf zu stellen und dann gründlich durch den Fleischwolf ihrer kreativen Chaosmühle zu drehen, ist daher an sich schon sehr zu begrüßen.

Schon mit den „Bremer Stadtmusikanten“ haben die Showcase-Männer für Jugendliche gearbeitet; mit 14+ ist das Zielpublikum angegeben. Das Englischlehrpersonal wird verlockt, mit den jungen Menschen zur Parkaue zu pilgern, indem man in der Vorankündigung listig angegeben hat, das Stück werde „in englischer und deutscher Sprache“ gegeben. Ein antipädagogischer, subversiver kleiner Trick ist das. Denn sehr viel echtes Englisch werden die Kids hier nicht lernen. Zwar wird sowohl Englisch als auch Deutsch gesprochen, doch die dominierende Bühnensprache ist ein selbst gestricktes Denglisch, dessen offensive Benutzung seinen Sprechern sichtlich Freude bereitet. (Merke: Es ist nicht notwendig, eine fremde Sprache korrekt zu sprechen, um sich verständlich zu machen.) Natürlich sind die Absichten hinter dem ganzen Showcase-Zirkus sehr wohl pädagogischer Natur. Nur eben andersrum und gut getarnt.

Über den Abend hinweg kriegt man gut mit, was in „Animal Farm“ passiert, falls man durch die Schullektüre nicht durchgekommen sein sollte: Die Tiere machen Revolution und übernehmen selbst den Bauernhof, nur um unter die Diktatur der Schweine zu geraten. Schlüsselszenen des Buchs werden, chronologisch geordnet, herausgegriffen und aufbereitet. Die vier Performer, von denen drei als einziges Oberbekleidungsstück eine Lederlatzhose am bleichen Männerkörper tragen (was vermutlich die Schweine Snowball, Napoleon und Pinkeye markieren soll), schlüpfen in zahlreiche unterschiedliche Rollen.

Sie tanzen den Tanz der befreiten Hühner zu den ins Blut gehenden Beats, die Albrecht Kunze für die Inszenierung komponiert hat. Sie sind die dumm blökenden Schafe, die auf der Farm die Mehrheit stellen und sich aus Bequemlichkeit von den Schweinen als Stimmvieh benutzen lassen. Sie sind die streberhaften Ferkel in der Schweineschule, in der gelehrt wird, dass Genosse Napoleon in allem recht hat. Und auch der Farmer Mr. Jones und seine Frau werden in einer verkicherten Szene von zwei albernen halbnackten Kerlen in Lederhose repräsentiert.

Zwischen den Szenen passiert alles Mögliche oder auch nichts. Dem Agieren von Showcase Beat Le Mot haftet grundsätzlich ein so entspannter Performance-Charakter an, dass auch das Warten darauf, dass wieder etwas geschieht, zum Teil der Vorstellung wird. In hintergründigen Textfetzen wird die Orwell’sche Vorlage in Bezug auf das Tierbild des Menschen infrage gestellt. Musik dröhnt. Riesige Tierpuppen wandeln durch den Raum. An der Wand schielt ein ausgestopfter Rehbock.

Ein etwas wackliger Gerüstbau, irgendwie zwischen Turm und Pavillon, prangt in der Mitte des Raumes. Er stellt zum Beispiel das Haus des Farmers dar oder, mit Muskelkraft betrieben, die Windmühle. Er dient auch als Aufhängestation für die Monitore, auf denen man schemenhafte Aufnahmen vom Inneren der geheimnisvollen Blackbox sehen kann, die an einem Ende der Studiobühne dräut.

Das Publikum ist ausdrücklich eingeladen worden, ihr Inneres zu besuchen; die Kernzielgruppe nimmt das Angebot gern an. Innen ist die Kiste vollständig dunkel und mit einer luftgepolsterten Unterlage versehen, die bewirkt, dass sich umgehend fast alle, die hereinkommen, nur auf allen vieren bewegen. In der Videowiedergabe sind die Lebewesen in der Box als weiße Schemen zu erkennen – ein Gewusel, das dem Treiben in einem Schafstall sehr nahe kommt. Gegen Ende steigen die Performer selbst in die schwarzen Kasten, um darin die dramatische Szene, in der das Pferd Boxer vom Abdecker geholt wird, pantomimisch nachzustellen.

Kann gut sein, dass manche, wenn sie aus diesem Theaterereignis wieder ans Tageslicht kommen, über einiges nachzudenken haben. Über Menschen und Macht. Über Tiere und Menschen. Über Deutsch und Englisch. Supergut amüsiert haben sich alle.

■ Wieder am Dienstag, 29., und Mittwoch, 30. Januar, 18 Uhr