RUSSLAND: KONSUM MIT PETRO-RUBELN STATT ECHTER MODERNISIERUNG
: Putin braucht nur etwas Welthandel

Wieder einmal ist aus Russlands Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) nichts geworden. Auch nach 13 Jahren Verhandlungen blieb die entscheidende Einigung zwischen den USA und Russland während des G-8-Gipfels in St. Petersburg aus. Präsident Wladimir Putin kann das erneute Scheitern mit einem Schulterzucken hinnehmen, denn es ist unklar, ob die Vorteile überwiegen würden, wenn sein Land der WTO beiträte. Immerhin müsste er den russischen Binnenmarkt ausländischen Konkurrenten öffnen, was viele russische Branchen nicht überleben dürften.

Putin kann sich zurücklehnen, denn auch ohne WTO sprudelt das Geld dank der riesigen Energievorräte des Landes reichlich. Allein auf dieser Grundlage will der Kreml-Chef das russische Bruttosozialprodukt innerhalb der nächsten zehn Jahre verdoppeln, denn seine Energieexporte kann Russland spielend nahezu zollfrei auf der ganzen Welt absetzen. Dafür braucht er keine WTO, sondern bilaterale Abkommen. Gleichzeitig durchkreuzt Putin die Strategie der USA, die mit ihrem Nein zum russischen WTO-Beitritt die russische Führung unter Druck zu setzen glauben.

Schlimmer sind die Folgen für das Ansehen der WTO. Die endlosen Verhandlungen mit Russland fügen sich ein in ein Gesamtbild wachsender Bedeutungslosigkeit. Seit fünf Jahren verhandeln Industrie- und Entwicklungsländer ergebnislos über niedrigere Zölle und Subventionen. Die Gespräche stecken heute mehr in der Sackgasse denn je. Das erneute Scheitern des russischen Beitritts ist eine weitere Episode in dieser Serie von Misserfolgen.

Für Russlands autoritäre Führungselite sind aber auch die innenpolitischen Risiken eines WTO-Betritts schwer zu kalkulieren. Immerhin steht aus ihrer Sicht zu befürchten, dass eine wirtschaftliche Liberalisierung eine nicht gewünschte politische Liberalisierung nach sich ziehen könnte. Sie würde einen Machtverlust für die Oligarchen und mehr demokratische Kontrolle nach sich ziehen. Eine wirtschaftliche Modernisierung Russlands steht unter Putins Führung ebenso wenig auf der Tagesordnung wie eine politische. TARIK AHMIA