Schwefelwolken sollen Klimawandel stoppen

Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen sorgt mit einer skurril erscheinenden Idee für Aufruhr bei den Klimaforschern

FREIBURG taz ■ Aufregung unter Klimaforschern: Der Nobelpreisträger Paul Crutzen hat vorgeschlagen, die Erderwärmung durch einen Schwefelschleier in der hohen Atmosphäre zu bremsen. Winzige Sulfatpartikel, so seine Idee, könnten die Sonneneinstrahlung auf der Erde um die entscheidenden Bruchteile eines Prozents reduzieren – und damit den Treibhauseffekt kompensieren, der durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe entsteht.

Neu ist der Gedanke nicht. Der russische Klimaforscher Michail Budyko schlug dies schon in den 70er-Jahren vor. Und 1991 zeigte sich nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo auch in der Praxis, dass Schwefel in der Stratosphäre die Temperaturen auf der Erde absenken kann.

Crutzen, der 1995 für die Erforschung des Ozonlochs den Chemie-Nobelpreis bekam, räumt allerdings ein, dass massive Eingriffe in die Atmosphäre auch fatale Nebenwirkungen haben könnten. „Wir müssen aber in dieser Richtung forschen“, verteidigt sich Crutzen angesichts des drastischen Klimawandels, „das ist alles, was ich mit meiner Anregung sagen wollte.“ Auch wolle er den konventionellen Klimaschutz nicht ersetzen: „Das wichtigste Ziel muss nach wie vor sein, die Kohlendioxid-Emissionen auf der Erde zu reduzieren.“ Damit will der ehemalige Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz auch verhindern, von den Gegnern des Klimaschutzes vereinnahmt zu werden.

Andere Klimaforscher reagieren auf den Vorschlag skeptisch. „Das ist allenfalls eine letzte Notlösung“ sagt Mojib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel. Niemand wisse, welche Folgeprobleme entstehen könnten.

Auch Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, warnt davor, eine Art „Geo-Engineering“ zu beginnen, dessen Konsequenzen unabsehbar seien. Man müsse die eigentlichen Ursachen bekämpfen, nämlich die Emissionen der Treibhausgase: „Heutigen Pfusch kann man nicht durch neuen Pfusch ersetzen.“

Zudem helfe ein Schwefelschild in der Stratosphäre nicht gegen das möglicherweise größte Problem: die Versauerung der Weltmeere. Denn in Wasser gelöstes Kohlendioxid wird zu Kohlensäure. Und im Rahmen eines Gleichgewichtszustandes steigt mit dem CO2-Gehalt der Luft automatisch auch der CO2-Anteil im Wasser. „An der Versauerung der Meere würde auch der Schwefelschleier nichts ändern“, sagt Schellnhuber.

Ähnlich hatte sich bereits im Mai der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) in einem Sondergutachten geäußert. Für Schellnhuber ist daher klar: „Der Meeresschutz ist ein neues Argument für den Klimaschutz.“ Das gesteht auch Crutzen ein: „Die Versauerung der Meere kann man mit dem Schwefel in der Stratosphäre natürlich nicht stoppen – schon alleine deswegen müssen wir die Kohlendioxid-Emissionen senken.“ BERNWARD JANZING