Klimaschutz am Esstisch

UMWELT Sollten Lebensmittel eine CO2-Kennzeichnung bekommen? „Zu aufwändig“, sagen Klimaexperten. „Wir hätten damit kein Problem“, sagt Frosta

Nehmen wir mal die Tomaten: Ein Kilo spanischer Tomaten, auf herkömmliche Weise produziert und mit dem Flugzeug hierher geflogen verursacht 7,2 Kilogramm Kohlendioxid. Dieselbe Menge an deutschen Bio-Tomaten kommt mit nur 35 Gramm CO2 aus. Nur kann man diese Information beim Kauf bislang nicht nachlesen. Hierzulande jedenfalls: In Schweden oder der Schweiz existieren solche Kennzeichnungen.

Dennoch stehen sowohl die Klimaschutzagentur „Energiekonsens“ als auch die Bremer Verbraucherzentrale der flächendeckenden Einführung einer CO2-Etikettierung von Lebensmitteln kritisch gegenüber. Ähnlich denkt man im Freiburger Öko-Institut. Beim Lebensmittelkonzern Frosta aus Bremerhaven heißt es indes: „Wir hätten damit kein Problem – weil wir den CO2-Fußabdruck für den Großteil unserer Produkte bereits ermittelt haben.“ Dennoch hält man bei Frosta ein verpflichtendes CO2-Label „nicht für sinnvoll“: Es gebe schon zu viele Labels auf Verpackungen. Bei Kraft Foods heißt es, der „Carbon-Footprint“ könne „ein nützliches Werkzeug sein, um die CO2-Emissionen zu messen“. Eine Kalkulation der CO2-Emissionen für Produkte mit komplexen Lieferketten und einer Vielzahl von Inhaltsstoffen sei „nach jetzigem Stand“ jedoch „nicht realistisch“.

Auch Energiekonsens-Geschäftsführer Martin Grocholl findet es „zu aufwändig“, für alle Lebensmittel CO2-Werte zu ermitteln. „Das ist kompliziert und teuer“, sagt auch Jörgen Birkhan von der Verbraucherzentrale. In der Regel würden auch nicht die Werte der tatsächlichen Produkte ermittelt, sondern lediglich „durchschnittliche Produktionsweisen“ erfasst. Er fordert einen einheitlichen internationalen Mess-Standard ein – mit dem sei aber frühestens 2011 zu rechnen.

Und selbst dann, wendet Rainer Grießhammer vom Öko-Institut ein, sage ein CO2-Label nichts über Schadstoffgehalt oder Wasserbrauch aus – Umweltfaktoren, die auch maßgeblich das Kaufverhalten beeinflussen könnten. Und die Vergleichbarkeit fehle: „Sind 75 Gramm CO2 für einen Snack viel oder wenig? Das ist nicht ersichtlich.“

Grocholl wiederum befürchtet, ein CO2-Label könnte einen gegenteiligen Effekt haben: „Eine Flut an Informationen kann auch dazu führen, dass man gar nicht handelt.“ Und klimabewusst könne man sich auch ohne einschlägige Etiketten ernähren. Wer weniger Fleisch und mehr Obst oder Gemüse isst, so Grießhammer, spare etwa 15 Prozent an Treibhausgasen, wer nur Bio-Lebensmittel kaufe, könne weitere 15 Prozent sparen. Was nicht heißt, dass VegetarierInnen sich zurücklehnen dürfen: Butter und Käse hätten schlechte CO2-Bilanzen, sagt Grocholl. Und wer doch Fleisch essen will: Wiederkäuer wie Rinder kommen auf 13,3 Kilogramm CO2 pro Kilo Fleisch, bei Schweinefleisch sind es nur 3,3 Kilo. JAN ZIER