: Geflohen – und eingesperrt
BRANDENBURG Flüchtlinge mit Kindern nach Polen abgeschoben und inhaftiert. Flüchtlingsrat will Rückkehr
Der Flüchtlingsrat Brandenburg fordert, dass das Land Brandenburg zwei Flüchtlingsfamilien die Rückkehr nach Deutschland ermöglicht, die Ende 2013 nach Polen abgeschoben worden waren. Ein Ehepaar sowie eine Familie mit zwei Kindern im Alter von 6 und 8 Jahren sind derzeit im polnischen Ort Ketrzyn inhaftiert. In Polen können Flüchtlinge, auch Kinder, bis zu einem Jahr in Haft genommen werden. Die beiden Männer der Familien befinden sich seit über einer Woche im Hungerstreik.
„Die Abschiebungen erfolgten im Stillen. Die Anwälte wurden erst kontaktiert, als die Flüchtlinge bereits an der Grenze waren“, sagt Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat. Herr I. sei mit seiner Frau im November ohne Begründung zur Ausländerbehörde geladen worden, dort seien beide festgenommen und am nächsten Tag abgeschoben worden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte im Sommer 2013 entschieden, dass Deutschland nicht für den Fall zuständig sei, da das Ehepaar über Polen eingereist sei und daher nach dem europäischen Abkommen Dublin II dorthin zurückgeschickt werden dürfe.
„Herr I. war durch Folter traumatisiert und in laufender Behandlung“, sagt Domazet. „Es lag ein ärztliches Attest darüber vor.“ Das habe die Ausländerbehörde Oberhavel ignoriert. Die Anwältin habe bereits einen Asylfolgeantrag beim BAMF gestellt, über den noch nicht entschieden sei.
In derselben Hafteinrichtung wie I. und seine Frau ist auch eine Familie inhaftiert, die im Dezember aus Prenzlau abgeschoben wurde. Auch dabei sei das Attest ignoriert worden: Der Vater der Kinder leide an Epilepsie. Die Beraterin erklärte, die Inhaftierung und die Unsicherheit über deren Dauer sei für die Familien sehr belastend, insbesondere für die Kinder. Beide Männer fordern mit dem Hungerstreik seit einer Woche ihre Freilassung.
Von den beiden zuständigen Ausländerbehörden war am Dienstag keine Stellungnahme zu erhalten. Ingo Decker, Sprecher des Brandenburger Innenministeriums, sagte, das Land habe auf diese Entscheidungen keinen Einfluss. „Das ist eine Angelegenheit des BAMF.“ Die Ausländerbehörden in Brandenburg seien nur ausführende Organe.
Das sieht der Flüchtlingsrat anders: „In Brandenburg gab es eine feierliche Erklärung im Landtag. Das Land verspricht eine neue ‚Willkommenskultur‘“, sagt Domazek. „Da passt es nicht zusammen, dass Flüchtlinge über Nacht abgeschoben werden.“ JULIANE SCHUMACHER