kosakenkaffee oder hinein in die achtziger von FRANK SCHÄFER
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Mittwoch, Kinotag. Wir waren wegen „Blade Runner“ da, der im Rahmen der Themenwoche „Die wunderbaren Jahre“ neben „Brazil“, „Breakfast Club“, „Pretty in Pink“, „Zurück in die Zukunft“ und all diesem wirklich wunderbaren Scheißdreck lief. Wir wollten die Achtziger-Woche durchziehen, nur „The Day After“ am Sonntag würden wir auslassen, weil Volker gemeint hatte: „Der zieht Stimmung ab, nee, den kannst du alleine kucken …“ Das wollte ich nun auch nicht, und einen Ersatzmann hätte ich kaum gefunden.

Das Achtziger-Revival war – zumindest in den Köpfen unserer Freunde – längst abgeerntet, leer gemolken und kahl geschoren, cool kam das also nicht mehr, was wir hier taten, aber wir bummelten mittlerweile in Stilfragen ohnehin so weit hinterher, dass uns auch dieses neuerliche Fashion-Verbrechen jetzt egal sein konnte.

„Woran liegt das eigentlich“, Volker sah immer noch zur Leinwand, näherte aber konspirativ seinen Kopf, „dass man ausgerechnet von diesen verhurten Jahren so viel weiß? Klar, wir waren jung, das Gedächtnis funktionierte noch ganz gut, aber das meine ich gar nicht, sondern diese Glocken, die zum Beispiel ein ausgefranster Monchichi zum Bimmeln bringt … – das allerletzte Gelumpe bekommt auf einmal so einen emotionalen Heiligenschein. Ich weiß auch, dass ‚Komm Brrriederchen, trrink Kosakenkaffee‘ eigentlich eine Scheißwerbung ist, aber trotzdem …“ – „Immer noch besser als ‚Ei, Ei, Ei Verpoorten‘ “, sagte ich.

Volker verstellte die Stimme in Richtung jugendlicher Antriebsschwäche. „Okay, okay, ich komme auch zu deiner Salzlettenparty.“ – „Karl der Käfer wurde nicht gefragt“, konterte ich, „sie haben ihn einfach fortgejagt.“ – „Eine Mark für Charlie, denn Charlie kann nicht zahlen“, meinte Volker und schüttelte unbefriedigt den Kopf. „Wenn einem so viel Gutes widerfährt, das ist schon einen Asbach Uralt wert.“

Es lief mir warm den Rücken hinauf, und ich sah prasselndes Kaminfeuer. Und das Bärenfell davor. „Mit Tosca kam die Zärtlichkeit“, nickte Volker. „Ja, meist zu Weihnachten“, stimmte ich zu und wusste nicht mehr weiter, denn die Frau mit der weißen Pelzmütze, deren Augen ihren Kerl anstrahlten, als hätte sie einen Brilli bekommen anstatt des billigen Duftwässerchens, machten mich zu dem Neunjährigen, der schon im Sommer seine Wunschliste fertig hatte.

„Die Witze mit dem kleinen grünen Steinbeißerchen, weißt du noch?“, fragte ich ihn. „Oder … Big Jim, Big Jack und Dr. Steel, der mit der eisernen Hand … Und wer Action Team hatte, konnte gleich zu den Mädchen gehen, zu Barbie und Ken …“ Volker lachte dreckig. „Und dann die Frau auf der schwarz-weißen Anzeigenseite in der Fernsehzeitung, die sich diesen Massagestab an die Backe hält, Alter, an die Backe!“

Jetzt wurde es ganz dunkel, und wir lehnten uns zurück. Es regnete aus Kübeln, man konnte die ungesunde Luft förmlich sehen, und mich fröstelte. Der Moloch Großstadt. Harrison Ford sah auf einmal wieder so jung aus. „Ich sag dir jetzt was, und das bleibt unter uns, ist das klar!“ Volker sah mich eindringlich an. „Mein Baby gehört zu mir!“ Ehrensache, das blieb unter uns!