Unbehagen im Kreis der Mächtigen

Die prunkvolle Inszenierung des G-8-Gipfels in St. Petersburg kann nicht über die Differenzen zwischen Moskau und seinen Gästen hinwegtäuschen. Russland, das sich mit den USA auf Augenhöhe wähnt, sucht schon nach neuen potenten Partnern

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

„Das Bestreben, dem Fremden alles von der besten Seite zu zeigen, ist unverkennbar“, erkannte Freiherr August von Haxthausen, der sich im 19. Jahrhundert als Agrarexperte auf Einladung des Zaren längere Zeit in Russland aufhielt. Auch der Gastgeber des St. Petersburger G-8 Gipfels ließ sich nicht lumpen und präsentierte ein blühendes und glitzerndes Russland, dem es an nichts fehlt. Dazu wurde üppig aufgefahren. „Rasmach“ – Verschwendungslust – nennen dies die Russen. 10,2 Milliarden Rubel kostete die Gipfelveranstaltung, 30 Milliarden wurden zuvor für die Renovierung von Gebäuden und Straßen ausgegeben. Der Vorjahresevent im britischen Gleneagles war im Vergleich dazu mit 80 Millionen Pfund (knapp 4 Milliarden Rubel) ein richtiges Schnäppchen.

Russlands wachsendes Wirtschaftspotenzial erlaube es dem Land, eine gewichtigere Rolle in der globalen Entwicklung zu übernehmen, meinte denn auch Wladimir Putin zum Abschluss des Gipfels. Dementsprechend selbstbewusst hatte sich der Kreml auch präsentiert, ganz so, als mische er wieder mit – auf Augenhöhe mit Washington.

Der Höhepunkt des letzten Gipfeltags waren Konsultationen mit den Staatschefs aus China, Indien, Brasilien, Südafrika und Mexiko, die der Kreml auf eigene Initiative eingeladen hatte. Ohne die Vertreter der rasant wachsenden Ökonomien der früheren Schwellenländer sei die G 8 als Gremium der führenden Industrienationen nicht mehr zeitgemäß, meinte Russland.

Von den Altmitgliedern erhielt Putin Unterstützung vom britischen Premier Tony Blair. Die anderen G 6 schauen erst einmal zu. Der Klub der Gleichgesinnten verwandle sich langsam in eine informelle Alternative zum UN-Sicherheitsrat, kommentierte der Kommersant die russische Initiative. Der Kreml denke über die Gründung eines alternativen Gravitationszentrums nach, dem Russland, China und Indien angehören. Eine konsolidierte Troika, die einen gleichberechtigten Dialog mit den G 7 aufnehmen könnte.

Russland fühlt sich im Kreise der G 8 nicht wohl. Das war denn auch die entscheidende Botschaft dieses Gipfels. Inzwischen wiegt sich Moskau jedoch wieder in dem Selbstverständnis, in Konkurrenz zum Westen, die Kraft eines Kristallisationspunktes auszustrahlen.

Die eigentliche Tagesordnung wurde von den Kriegsereignissen im Libanon überschattet. Die G 8 einigte sich nach langen Diskussionen auf eine gemeinsame Stellungnahme. Sie ist um Äquidistanz zu den Konfliktparteien bemüht, übertüncht aber nur notdürftig die Meinungsverschiedenheit zwischen Washington und Moskau.

Wie weit die Vorstellungen Moskaus und der G 7 auseinander liegen, zeigte die Auseinandersetzung über Energiesicherheit, die das zentrale Thema des Gipfels hätte sein sollen. Das Kommuniqué über globale Energiesicherheit fiel unspektakulär aus. Moskau legte Wert darauf, dass neben der Versorgungssicherheit der Abnehmerseite ein Passus über die „Sicherheit der Nachfrage“ in das Dokument aufgenommen werden sollte.

Die G 7 sahen darin einen Versuch, die staatliche Regulierung des Energiemarkts – wie sie zurzeit unter der Ägide des Kremls und des Monopolisten Gazprom vollzogen wird – vertraglich auch abzusegnen. In der endgültigen Fassung taucht nunmehr weder die Sicherheit des Abnehmers noch die des Lieferanten auf. Ein bescheidenes Ergebnis, dem mehr Aufmerksamkeit sicher gewesen wäre, hätte sich nicht am Vorabend des Gipfels der Nahostkonflikt erneut zugespitzt.