„Washington muss eingreifen“

taz: Herr Marzuk, glauben Sie, dass die libanesische Armee in den derzeitigen Konflikt im Libanon eingreifen wird?

Moshe Marzuk: Die libanesische Armee ist an die Verfassung gebunden. Was ihre Schlagkräftigkeit angeht, wäre es kaum ein Problem für sie, die Hisbollah unter Kontrolle zu bringen. Die Entscheidung, sie im Süden zu stationieren, ist eine politische, die zwar von immer mehr Politikern befürwortet wird, trotzdem gibt es auch Gegner. Die Libanesen stehen noch immer unter dem Trauma des Bürgerkrieges. Niemand will einen erneuten blutigen Konflikt im eigenen Haus riskieren.

Die Entführung der israelischen Soldaten nach Libanon folgt der Entführung eines israelischen Soldaten in den Gaza-Streifen. Gibt es zwischen der palästinensischen Hamas im Gaza-Streifen und der libanesischen Hisbollah Absprachen?

Die Kooperation zwischen den beiden Terrorgruppen ist kein Geheimnis. Hamas-Chef Chaled Meschal kommt regelmäßig zu Gesprächen in das Büro von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in Beirut und umgekehrt. Die gegenseitige Hilfe findet auch auf operativer Ebene statt. Beide Bewegungen werden von Teheran und Damaskus aus gelenkt. Ich gehe davon aus, dass Syrien auch die Entführung des israelischen Soldaten Gilad Schalit im südlichen Gaza-Streifen vorab autorisierte.

Gibt es einen Grund, warum gerade jetzt wiederholt Entführungen stattfinden?

Es geht vermutlich darum, die neue israelische Regierung zu prüfen. Die Hamas ging mit der Entführung nach dem Vorbild der Hisbollah vor und rechnete damit, dass die israelische Bevölkerung Druck auf die Regierung machen würde, damit der Soldat ausgetauscht wird. Inzwischen sind drei Wochen vergangen, und nichts ist passiert. Damit geriet auch Nasrallah unter Druck. Er musste jetzt beweisen, dass sein Modell der Entführungen, mit denen er in der Vergangenheit viele arabische Häftlinge freipressen konnte, noch immer funktioniert.

Halten Sie die massiven Angriffe der israelischen Armee auf die libanesische Infrastruktur für effektiv?

Die Angriffe sind insofern richtig, weil sie eine Atmosphäre vorbereiten, um die phlegmatische Haltung der Regierung zu beenden und jene Politiker zu unterstützen, die eine Stationierung der libanesischen Armee befürworten. Die einzige Rettung aus der Misere ist, dass die libanesische Regierung eine Entwaffnung der Hisbollah durchsetzt. Das kann nur funktionieren, wenn sie entsprechende Rückendeckung aus dem Westen hat.

Wie könnte die aussehen?

Die USA müssen eine glaubwürdige Warnung an die syrische Regierung aussprechen und die klare Botschaft, dass der Westen nicht untätig zusehen wird, sollte Damaskus versuchen, diesen Prozess aufzuhalten.

INTERVIEW: SUSANNE KNAUL