Der Behördendschungel lebt

Weil die Landesregierung sich mit der Umgestaltung der Verwaltung schwer tut, nehmen die Bezirksregierungen die Reform selbst in die Hand – obwohl gerade sie entmachtet werden sollen

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Es ist ein wenig so wie in der Werbung der großen Imbissketten. Im Fastfoodgeschäft tobt der Kampf zwischen Doppelwhoppern und Dreifachburgern. Bei der NRW-Verwaltungsreform heißt die Frage: Drei Verwaltungsebenen oder nur noch zwei? Sollen die Bezirksregierungen als Mittelinstanz zwischen Land und Kommunen entmachtet werden, oder braucht NRW den bürokratischen Dreifachburger?

Die Diskussionshoheit über die Verwaltungsstrukturreform haben mittlerweile die Chefs der fünf nordrhein-westfälischen Bezirksregierungen erlangt. In einem 55-seitigen Papier haben die Regierungspräsidenten von Köln, Düsseldorf, Münster, Arnsberg und Detmold Reformvorschläge ausgearbeitet. Angeboten wird darin eine Reduzierung der Aufgaben und auch der Abbau von 1.100 Stellen in der Verwaltung. Das Papier sei als „Denkmodell“ gedacht, erklärte ein Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg.

Deutlicheren Widerstand gegen die Pläne der Landesregierung fordert der frühere Kölner Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes (SPD): „Man darf die Mittelinstanz nicht kampflos aufgeben. Was da gefordert wird, zeugt von geistiger Verwirrung.“ Die Landesregierungen würden immer schon dazu tendieren, ihren eigenen Machtapparat zu Ungunsten der Bezirksregierungen und Kommunen aufzublähen. „Man sollte nicht an der Organisationsform herumpopeln, nur weil kein Geld da ist“, sagte Antwerpes der taz.

Auch die aktuellen Regierungspräsidenten gehen in ihrem Schreiben nicht auf die von der Landesregierung geforderte Schließung von Standorten ein. Im Gegenteil: Die Behörden kämpfen sogar recht offensiv für ihren Bestand. Die Bezirksregierung Arnsberg etwa führt auf ihrer Internetseite lang und breit „gute Gründe“ für den Erhalt des Standorts auf.

Einrahmen dürften sich die Bezirkschef in diesem Zusammenhang ein neues Gutachten des Bochumer Verwaltungsexperten Jörg Bogumil. In der aktuellen Studie über die Verwaltungsstrukturreform im Nachbarland Niedersachsen kommt der Politikprofessor zu dem Schluss, dass eine Entmachtung der Bezirksregierungen auch in NRW kontraproduktive Folgen haben könnte. Durch die „fehlende Bündelung“ in einer Instanz drohe das „Anwachsen von Sonderbehörden“ und „wachsender Ressortegoismus“ zwischen neu zu schaffenden Behörden. Statt dessen empfiehlt Bogumil eine „bessere Aufsicht“ und „Aufgabenkritik“ innerhalb der bestehenden fünf NRW-Bezirksregierungen.

Genau die haben sich auch die Regierungspräsidenten vorgenommen. In ihrem Schreiben an Rüttgers erklären sie sich bereit, 230 von bisher 659 Aufgaben abzutreten. Wegfallen soll ihrem Wunsch zufolge allerdings eher der Kleinkram der Behördenarbeit: Verzichtbar sei die „Bearbeitung von Kleingartenangelegenheiten“, die Wohnungsfürsorge für Landesbedienstete sowie eine Privatisierung der Jagd- und Fischereiprüfungen. Allerdings wird auch – ein Bonbon für die Düsseldorfer Landesregierung – eine Privatisierung von „Überwachungsaufgaben im Umweltbereich“ angeboten. Im Gegenzug wollen sich die Regierungspräsidenten stärker um regionale Wirtschaftspolitik kümmern: Sie soll eine der Kernkompetenzen der neuen Mittelbehörde sein.

„Die Regierungspräsidenten sind mit ihren Ideen weiter als die Landesregierung“, sagt der grüne Verwaltungspolitiker Horst Becker. „Sie versuchen, ihnen ein kleines Stück entgegen zu gehen, um sich insgesamt unentbehrlich zu machen“. Horst Engel, der Verwaltungsexperte der FDP-Fraktion, lobte die Vorschläge der Regierungspräsidenten als „hervorragenden Beitrag“ zur Verwaltungsstrukturreform. Nun müsse schnellstmöglich mit dem Abbau von Stellen und Aufgaben begonnen werden, sagte er. Da allerdings dürfte er die Rechnung ohne seine eigene Landesregierung gemacht haben: Erst nach der Sommerpause sollen die Reformvorschläge in Arbeitsgruppen diskutiert werden. Bis dahin sollen auch die Ministerien ihre Ideen zu Papier bringen.