Umweltschutz im Discount

Seit zwei Wochen liegt das „greenpeace magazin“ an den Kassen der Lidl-Kette. Einen Platz im Wagen des Durchschnitts-Discountkunden hat es bislang jedoch kaum gefunden

von LUCAS VOGELSANG

Für einen kurzen Augenblick bleibt die junge Frau mit der Sonnenbrille im Haar vor dem Zeitungsständer stehen. Ihr Blick haftet auf dem Cover, weißer Halbmond und weißer Stern auf Rot, der Titel „Türkiye“ Rot auf Weiß. Ein wenig verwirrt wendet sie sich ab und greift ein Regal weiter zur Mopo, um gedankenverloren darin zu blättern. Der nächste Kunde, weißer Leinenanzug, Handy am Ohr, ignoriert das leuchtend rote Magazin vollständig.

Das neue greenpeace magazin, ein 100-seitiges Spezialheft über die Türkei, liegt seit Anfang voriger Woche zwischen Waffelgebäckmischung und Sonderpostendrops in allen Lidl-Filialen an der Kasse aus. Es ist die zweite Ausgabe, die auch über den Discounter verbreitet wird, den die Umweltschützer vom Hamburger Fischmarkt 2005 noch wegen maximaler Pestizidbelastung bei Lebensmitteln heftig gescholten hatten. Das ganze ist Teil eines groß angelegten Testlaufs. Bis zum Ende des Jahres sollen sich Billig-Kunde und Umweltmagazin aneinander gewöhnen. Dass dieser Prozess durchaus auch länger dauern kann, zeigt sich dort, wo beide täglich aufeinander treffen.

11 Uhr im Schanzenviertel, Lidl in der Stresemannstraße. Mehrere Dutzend rot leuchtender Exemplare des Hochglanz-Ökomagazins stapeln sich in der Auslage vor der Kasse. Zwei lange Schlangen schieben sich ohne großes Interesse an den Heften vorbei. „Bis hier einer kommt und das Ding kauft, da können sie lange warten“, sagt die Filialleiterin und wirft einen skeptischen Blick auf den Stapel Magazine, von denen in den letzten zwei Monaten hier gerade einmal vier Exemplare verkauft wurden. Zwischen Plastikfolie und Styropor gibt der Laden in der Stresemannstraße keinen passenden Absatzmarkt her.

Eine Hartz IV-Empfängerin, die regelmäßig hierher zum Einkaufen kommt, sieht das Problem vor allen Dingen im Preis des Magazins. „Sollen sie das doch in den Bio-Laden stellen, wo sich die Leute das leisten können.“ Die Kunden kommen schließlich in erster Linie zu Lidl, um zu sparen. „Wenn man bei jedem Produkt auf 30 Cent schaut, kann man nicht am Ende alles Gesparte für sowas ausgeben.“ 4,90 Euro kostet das vollständig werbefreie Magazin, das sich einzig über den Verkaufserlös finanziert.

Zwei Stunden später in der Behringstraße in Ottensen. Hinter den großen Fenstern flimmert die Hitze auf dem Parkplatz. Die Kunden verlieren sich in den langen Gängen. Im Vergleich zur Stresemannstraße hat sich das Publikum verändert. Die Situation ist dieselbe: Die zahlreichen roten Hefte vor der Kasse werden von der Kundschaft übersehen oder abgelehnt. Obwohl ein paar Exemplare weggingen, läuft der Verkauf auch hier zäh. Von der letzten Ausgabe wurden nach zwei Monaten von 30 Exemplaren sieben wieder zurückgeschickt.

Jochen Schildt, Chefredakteur des greenpeace magazins, zieht nach der ersten Ausgabe ein durchweg positives Fazit: „Bisher ist alles reibungslos verlaufen. Wir sind hoch zufrieden.“ Von der vorigen Ausgabe seien alle 150.000 Exemplare, die bei Lidl auslagen, verkauft worden. Und auch das jetzige Heft sei in einigen Filialen in der Hansestadt bereits nach einer Woche ausverkauft gewesen.

Am Abend in Eimsbüttel. Letzter Versuch, noch 20 Minuten bis Ladenschluss. Auf das Magazin angesprochen, schüttelt der Filialleiter nur den Kopf. „Das will hier keiner haben.“ Der Markt gebe einfach nicht die Leser für ein Magazin her.

An der Kasse der Feierabendeinkäufer schaut eine Frau lange auf das Cover. Dann lacht sie über die Schlagzeilen des Boulevard, bezahlt und geht.