Berlin tankt Sonne

Solarkraftanlagen auf öffentlichen Dächern und Geldverdienen mit Wärmedämmung: Mit vielen Einzelmaßnahmen will der Senat Berlins Energieverbrauch und Kohlendioxidausstoß reduzieren

VON MATTHIAS LOHRE

Ingeborg Junge-Reyer ist großzügig. Zwar ist Berlin noch immer arm, doch möchte die Stadtentwicklungssenatorin von der SPD der ganzen Erde ein Geschenk machen. Bis zum Jahr 2010 will die Stadt den Umweltschutz so stark fördern, dass laut Junge-Reyer am Ende ein „Beitrag für die ganze Welt“ steht.

Die Senatorin lächelte bei diesen Worten. Natürlich weiß auch sie, wie begrenzt Berlins Einfluss aufs Weltklima ist. Trotzdem ist das Ziel des gestern von Junge-Reyer vorgestellten Landesenergieprogramms für die Zeit bis 2010 ehrgeizig. Darin verspricht der Senat die Verringerung des hiesigen Kohlendioxid-Ausstoßes um 25 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990.

Das klingt gewaltig, doch hat der Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft da schon einen großen, wenn auch unfreiwilligen Beitrag geleistet. Seit Wendezeiten sind die DDR-Industrieunternehmen ebenso verschwunden wie hunderttausende private Kohleöfen. In vier Jahren sollen in Berlin nur noch 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen werden. Das wären acht Millionen Tonnen weniger als 1990, drei Millionen Tonnen weniger als 2002. „Der Himmel über Berlin ist, was die Kohlendioxidbelastung angeht, sauberer geworden“, urteilte Junge-Reyer.

Damit das so weitergeht, fördert der Senat viele Einzelmaßnahmen. Beispielsweise vermietet das Land Dächer öffentlicher Gebäude an Energieriesen wie Vattenfall, aber auch an kleine Ingenieursbüros. Diese betreiben auf mittlerweile 47.000 Quadratmetern Fläche Solaranlagen. Schon heute habe Berlin mehr Solarkollektorflächen als Barcelona, betonte die Senatorin – obwohl an der Spree die Sonne seltener scheint als in Spanien.

Die größte Solarstromanlage der Stadt thront auf dem Dach des Hauptbahnhofs. Bereits seit 2003 produzierten die mit EU-Mitteln geförderte 780 Solarmodule 160.000 Kilowatt Strom pro Jahr. Laut Senat entspricht das knapp zwei Prozent des Stromverbrauchs des Hauptbahnhofs.

So genannte Energiesparpartnerschaften haben Berlin nach Junge-Reyers Worten bisher 2,2 Millionen Euro Energiekosten und 50 Millionen Euro an Investitions- und Instandhaltungskosten erspart. Bei diesen 1996 eingeführten Kooperationen verpflichten sich Privatunternehmen, den Energieverbrauch eines Landesgebäudes – Verwaltung, Gefängnis oder Schule – zu senken. Die Einsparungen fließen je zur Hälfte in Landes- und Unternehmens-Kassen.

Auch Teile der 270.000 landeseigenen Wohnungen sollen künftig weniger Energie verbrauchen. Derzeit würden 300 Wohnungen in Plattenbauten der Wohnungsbaugesellschaft Howoge und in Mehrfamilienhäusern energetisch saniert.

Seit Ende 2005 rang der Senat mit Industrie- und Handelskammer (IHK), wissenschaftlichen Instituten, Wirtschafts- und Umweltschutzverbänden um das Energiesparprogramm. Derzeit verhandelt das Land mit dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen an einer Klimaschutzverabredung. Junge-Reyers Kalkül: In Wohnungen lässt sich besonders viel Energie einsparen.