CHINAS WIRTSCHAFTSBOOM BRINGT SO VIEL, WIE ER ÖKOLOGISCH KOSTET
: Umweltpolitik als Wachstumsbremse

China ist schon die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, Japan und Deutschland. Trotzdem gönnt sich das Land keine Pause. Ganz im Gegenteil: 11,3 Prozent Wachstum im zweiten Quartal – das ist Rekord in diesem Jahrhundert.

Erstens kann Peking darüber froh sein. Das Wachstum findet breit in der Industrie statt, anders als etwa in Indien, wo es sich auf kaum mehr als die Softwarebranche stützt. Stärker noch als die Wirtschaft insgesamt nahm speziell der Konsum zu. Dies sorgt für neuen Wohlstand in breiteren Schichten – wichtig für den Abbau der sozialen Spannungen, die eine Folge der enormen Ungleichheit bei den Einkommen sind.

Zweitens muss Peking besorgt sein. Nicht nur wegen der Überhitzung der Wirtschaft – langfristig verheerender können sich die Umweltfolgen auswirken. Auf zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes beliefen sich die Umweltkosten letztes Jahr und lagen damit ebenso hoch wie das neu erwirtschaftete Wachstum. Das haben nicht Umweltschützer, sondern chinesische Regierungsbeamte selbst berechnet. Werden also die Umweltkosten weiter proportional zum Wachstum steigen?

Solange der chinesische Kohleverbrauch wie in den letzten zwei Jahren um über 14 Prozent steigt und alle zehn Tage ein neues Kohlekraftwerk eröffnet wird, kommt das Wachstum China teuer zu stehen. Doch es gibt auch Anzeichen für eine ökologische Wende, die ohne Boom undenkbar wären. Premierminister Wen Jiabao weist längst das Ziel einer „ressourcenfreundlichen Gesellschaft“. In seinem Umkreis erwägt man neue Ökosteuern auf Benzin, Abwasser und Emissionen, von denen in schlechten Zeiten keine Rede wäre.

Um eine Überhitzung der Wirtschaft zu vermeiden, will die Regierung nun als erstes die durchaus strengen Umweltvorschriften auch in der Praxis durchsetzen. Zudem hat sie jetzt genügend Steuergelder, um massiv in erneuerbare Energien zu investieren. Greenpeace sieht China in zehn Jahren als größten Wind- und Solarenergieproduzenten der Welt. Auch das wäre dann dem heutigen Wachstum zu verdanken. GEORG BLUME