TELEKOM
: Ich bin im Zug, du?

Zwei Wochen ohne Tageslicht, jeden Winter

Hungrig im Dunkeln in Prenzlauer Berg – und alle sitzen im Zug. „Maggie, ich hab Hunger. Isst du mit mir Abendbrot?“ – „Kann nich … Sitze im Regio … Empfang scheiße.“ Weg.

Nora hab ich auch ewig nicht gesehen. „Nora, meine Liebe, ich bin grad bei dir in der Ecke, magst du mit mir Abendbrot essen?“ – „Würde ich total gerne, liebe Lea, aber ich sitz grad im Zug. Ich fahr zu meinen Eltern.“ – „ICE, oder?“, sage ich. „Der Empfang ist so gut.“

Wir reden ein bisschen. Stellen fest, dass es fast noch Sommer war, als wir uns zuletzt begegnet sind und dass ja jetzt schon lange Winter ist und dass das ja überhaupt nicht angehen kann, dass wir uns nur alle halbe Jahre sehen. Dann dröhnt eine Lautsprecherdurchsage in unser Gespräch. Wir verstehen kein Wort. Von niemandem. „Nächste Woche!“, brüllt Nora. „Ja!“, schreie ich zurück. Ein zehnjähriges Mädchen steht vor mir und starrt mich an.

„Paul, was soll ich denn jetzt machen?“, rufe ich meinen Freund an. Ich will nachher noch auf diese Party nach Neukölln. Wenn ich jetzt nach Hause fahre, dann brauche ich zwei Stunden, um wieder loszukommen, dann bin ich nicht vor elf in Neukölln und nicht vor drei wieder zu Hause. Das wäre nicht dramatisch. Ist ja eh meine Zeit. Im Winter gibt es jedes Jahr zwei ganze Wochen, in denen ich überhaupt kein Tageslicht sehe. Ich stehe ja nicht aus Spaß jeden Abend auf der Bühne. Es ist der einzige Beruf, der mit meinem Schlafrhythmus vereinbar ist.

Aber morgen, morgen muss ich um acht aufstehen. Oder früher womöglich. Wir müssen nämlich Zug fahren, Paul und ich. Bis nach Flensburg.

„Komm lieber nicht nach Hause vor der Party“, sagt Paul, „wenn du dich jetzt nicht ausruhst, wirst du später schneller müde.“

Genau, denke ich. Oder ich schlaf im Zug. Wenn keiner anruft. LEA STREISAND