SK Speiche jagt den Dieb

Mit der Sondergruppe „Speiche“ sagt die Polizei Münster den Fahrraddieben in der Radlerstadt den Kampf an. Bei den Kontrollen müssen sich die Beamten oft hanebüchene Ausreden anhören

Mit etwa 6.000 gemeldeten Fahrrad-Diebstählen im Jahr liegt Münster auf dem ersten Platz in Nordrhein-Westfalen. Nach Polizeischätzungen ist die Dunkelziffer doppelt bis drei Mal so hoch. Entsprechend großen Aufwand betreibt die Polizei der Radelhochburg, um den Fahrradklau einzudämmen – allein am Dienstag machte eine 25-köpfige Beamtengruppe Kontrollen an sechs Orten in der Stadt. 300 bis 400 Radfahrer halten die Polizisten dabei an einem Tag an, überprüfen Rahmennummern und Personalien und suchen den durchschnittlichen Fahrraddieb: männlich, zwischen 16 und 25 Jahre alt.

Ein Rad nach nach dem anderen winken die Polizisten mit einer Kelle an den Rand des Radweges. Die weiblichen Radler werden selten angehalten und fahren mit großen Augen an den uniformierten Kontrolleuren vorbei. Im Visier stehen die männlichen Pedalritter. „Es gibt nicht den klassischen Fahrraddieb, aber in der Regel handelt es sich um junge Männer“, erklärt Jörg Jablonski von der Sondergruppe „Speiche“.

Jablonski muss es wissen. Zusammen mit fünf Kollegen der Spezialabteilung befasst er sich ausschließlich mit Fahrradkriminalität. In einer Stadt wie Münster hat die Sondergruppe genug zu tun: Nirgendwo sonst in Deutschland wird mehr Rad gefahren. Auf 280.000 Einwohner kommen nach Schätzungen etwa 550.000 Fahrräder.

Das Auge der Kontrolleure ist geschult. Passen Radler und Fahrrad nicht zusammen, halten die Beamten die Kelle raus. „Wenn ein 1,90 Meter großer Mann auf einem Rad mit einem 24er-Rahmen sitzt, ist das schon auffällig“, findet Polizist Maik Herrmann. Verdächtig seien auch Nervosität und widersprüchliche Aussagen während der Kontrolle. Ausreden müssen sich die Beamten häufig anhören. Wenn das überprüfte Rad auf der Liste der gestohlenen Räder auftaucht, erzählen viele Radler, dass sie den Drahtesel von Freunden haben oder auf dem Flohmarkt gekauft haben. Passende Namen oder Adressen dazu wissen sie so gut wie nie.

In solchen Fällen stellen die Polizisten das Fahrrad meist sicher, bis die Herkunft geklärt ist. Wird der Fahrraddiebstahl nachgewiesen, droht dem Dieb eine Anzeige. Neun Prozent der Fahrraddiebstähle klärt die Münsteraner Polizei im Schnitt auf.

Im Jahr werden drei bis vier Großkontrollen organisiert. 25 Beamte sind dabei im Einsatz und postieren sich an verschiedenen Stellen der Stadt gleichzeitig. Die meisten sind in Uniform, einige in Zivil. Mark Riddermann ist diesmal als Mountainbike-Streife dabei, um potenziellen Ausreißern auf dem Rad nachzufahren. Dass ein Radler sich kurz vor der Kontrolle aus dem Staub macht, passiert öfter, sagt er. Besonders bei den normalen Verkehrskontrollen, die häufiger gemacht werden und bei denen die Beamten zum Beispiel das Licht am Fahrrad überprüfen. „Da kommt es auch schon mal vor, dass man eine Person an einem Abend zwei, drei Mal wiedertrifft, und zwar immer ohne Licht“, erzählt Riddermann.

Zumindest die Diebstahl-Kontrollen nehmen die Münsteraner gelassen. Die Mehrheit reagiert mit Verständnis. „Ich kenne viele, denen schon mal ein Rad gestohlen wurde“, sagt der 24-Jährige Sebastian, der auf seinem Rennrad angehalten wird. „Die Kontrolle dauert nicht lange, nur zwei, drei Minuten. Das ist völlig o.k.“ Vielen von den Kontrollierten wurde selbst schon ein Fahrrad geklaut.

Gestiegen sei die Zahl der Diebstähle in den vergangenen Jahren aber nicht, sagt Jablonski. „Ziel der Kontrollen ist vor allem, Präsenz zu zeigen und die Entdeckungsgefahr zu erhöhen.“ Zumindest eine solche Entdeckung machen die Beamten schon in der ersten Stunde der Kontrolle. Ein Radler ist mit einem Zweirad unterwegs, das als gestohlen gemeldet ist. Der junge Mann sagt, er habe das Fahrrad gekauft und die Quittung zu Hause. Ob das wieder eine Ausrede ist, muss die Sondergruppe „Speiche“ bei ihrer anschließenden Ermittlung klären. CHRISTIANE JACKE, DPA