RICHARD ROTHER ÜBER DAS BUNDESKARTELLAMT UND DIE BAHNFAHRKARTEN
: Keine Freiheit am Schalter

Eine schöne Vorstellung: Man geht an einen Fahrkartenverkaufsschalter auf einem Bahnhof, mittlerweile Reisezentrum genannt, und erwirbt dort die preiswerteste Karte für die bequemste und schnellste Verbindung – egal ob ein Zug der Deutschen Bahn oder eine Bahn eines Konkurrenzunternehmens die gewünschte Route fährt. Und zuvor wird der Kunde freundlich und kompetent von einem oder einer DB-Angestellten darüber beraten, welche Verbindung für ihn die günstigste ist. So weit, so schön. Aber das ist völlig unrealistisch – auch wenn das Bonner Bundeskartellamt jetzt eine Untersuchung über mögliche Diskriminierung von Bahnkonkurrenten beim Vertrieb von Fahrkarten eingeleitet hat.

Denn natürlich ist es der bundeseigenen Bahn nicht zuzumuten, die Aufgaben ihrer Konkurrenten zu erledigen. Wer mit – günstigen – Zügen der Bahn im Fernverkehr die Stirn bieten will, muss auch dafür sorgen, dass die Fahrkarten zu den Kunden kommen. Schließlich bedeutet das einen gehörigen Aufwand, der sich auf die Fahrpreise auswirkt. Kein Mensch käme auf die Idee, von der Lufthansa zu verlangen, Tickets für Billigfluggesellschaften zu vertreiben. Auch von der Telekom als ehemaliger Monopolistin erwartet niemand, dass sie in ihren Läden Produkte der Konkurrenz verkauft.

Allerdings sollten Menschen, die ihre Fahrkarten nicht telefonisch oder im Internet erwerben wollen, ihre Reisescheine dort kaufen können, wo sie sie brauchen: am Bahnhof. Sollte die Bahn als Besitzerin der Stationen dies zu verhindern suchen, indem sie dies schlicht nicht zulässt oder überteuerte Mieten für Geschäfte oder aufgestellte Automaten verlangt, müsste das Bundeskartellamt eingreifen. Die Fahrgäste warten schon gespannt auf das Ergebnis der Untersuchung der Bonner Behörde.

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