Cameron wirbt um Indiens Hilfe

DIPLOMATIE I Indische Politiker und Geschäftsleute zeigen dem sie heftig umwerbenden britischen Premier, dass die einstige Kolonialmacht nur ein Handelspartner unter vielen ist

Heute arbeiten in Großbritannien 90.000 Menschen für indische Firmen

VON SVEN HANSEN

Um der britischen Wirtschaft in der Heimat wie im boomenden Indien zu helfen, strebt Großbritanniens Premier David Cameron eine „Sonderbeziehung“ zu Londons früherer Kolonie an. Dies versuchte er sogleich vor Ort mit einem seiner ersten Staatsbesuche auf den Weg zu bringen. Dafür ließ er die „seit Menschengedenken“ – so Camerons PR-Strategen – bedeutendste Delegation zusammenstellen, die je einen britischen Premier ins Ausland begleitete. Darunter sechs Minister, zahlreiche Wirtschaftsbosse und sogar ein Olympiasieger.

Doch die selbstbewussten Inder sind von Cameron wenig beeindruckt und wollen von einer Sonderbeziehung nichts wissen. Sonia Gandhi, mächtige Führerin der regierenden Kongress-Partei, sagte ein geplantes Treffen mit Cameron kurzfristig ab. Ihr Sohn Rahul, künftiger Erbe der Nehru-Gandhi-Dynastie und schon als Premier gehandelt, hatte ebenfalls keine Zeit. Londons früheren Außenminister David Miliband hatte er noch zu einer Tour aufs Land begleitet.

Selbst die hofierten indischen Geschäftsleute wiesen Cameron darauf hin, dass die Pläne seiner Tories zur Begrenzung der Einwanderung nach Großbritannien den Wirtschaftsbeziehungen im Wege stehe. Denn indische Firmen müssten dort auch auf Personal vom Subkontinent zurückgreifen können, was die geplante Politik verhindern würde. Heute arbeiten in Großbritannien 90.000 Menschen für indische Firmen. Selbst die Traditionsmarke Jaguar gehört dem indischen Tata-Konzern.

Nach einem Wirtschaftstreffen im südlichen Bangalore am Mittwoch und dem Besuch des dortigen IT- und Outsourcing-Giganten Infosys war Cameron am Donnerstag zu politischen Gesprächen in der Hauptstadt Neu-Delhi. Für den Abend war zum Abschluss ein Treffen mit Premierminister Manmohan Singh vorgesehen.

Cameron warb für mehr indische Investitionen und eine Öffnung des indischen Marktes. Er wohnte der Unterzeichnung einiger Verträge bei. Der Rüstungskonzern BAE Systems vereinbarte die Lieferung von 57 Hawk-Trainingsjet für 1,1 Milliarden Dollar. Bisher importiert Indien Rüstungsgüter vor allem aus Russland, Israel und den USA.

Wurde Camerons Besuch in Indien zunächst kaum beachtet, machte er plötzlich Schlagzeilen, als er sich eher beiläufig über den benachbarten Erzfeind Pakistan äußerte. Cameron sagte, es sei inakzeptabel, dass Pakistan mit dem Westen verbündet sei und den Export des Terrors fördere. Damit kam er der Position Indiens, das sich als Ziel pakistanischen Terrors sieht, sehr nah, löste aber heftige Empörung in Pakistan aus.

Dass für Delhi Großbritannien heute nur noch ein Land unter vielen anderen ist, wurde auch am britischen Atomtechnologieangebot deutlich. Nachdem Delhi schon entsprechende Angebote von den USA, Russland und Frankreich erhalten hatte, stieß Großbritanniens Wirtschaftsminister Vince Cable damit nur noch auf geringes Interesse.