teigelers urlaubsvertretung
: Ein „hvala lepo“ namens Nowotny

„Mit 32 kann sich ein Jens Nowotny nicht auf die faule Haut legen.“ (Hans-Georg Bischoff, Spielerberater von einem Jens Nowotny)

Als A-Jugendlicher in einer westfälischen „Bauernliga“ hatte ich einen kroatischen Trainer. Er hieß Marko und führte unsere Mannschaft mit einer Mischung aus Humor und väterlicher Strenge. Er liebte es, mit seinem jugoslawischen Akzent kleine Vorträge über die schädlichen Wirkungen von Alkohol und Tabak zu halten. Doch wenn er jemandem nach dem Training mit einer Zigarette erwischte, ging er oft mit balkanisierter Wurschtigkeit darüber hinweg. Ansonsten quälte er uns am Kopfballpendel und mit sommerlichen Trainingsläufen um den Aschenplatz. Am Ende der Saison waren wir Meister. In der „Bauernliga“. Einige Jahre später ist Marko an einem Herzinfarkt gestorben.

Der Phänotyp des Jugo-Trainers (ich verwende diesen Begriff in zugegeben fahrlässiger Ignoranz der Balkankriege in den 1990er Jahren) gehört seit Jahrzehnten zum Fußball in unserem schönen Einwanderungsland. Nicht nur Fußballer mit türkischem Migrationshintergrund und italienischstämmige Vereinsfunktionäre haben den Fußball in den letzten Jahrzehnten verändert: Jugo-Trainer haben sich überall durchgesetzt – von der Kreisklasse bis zur Bundesliga. Die Liste ist lang: Vom Serben Fahrudin Jusufi (1980 bei Schalke 04) bis „Tschik“ Cajkovski (Meister 1962 mit dem 1. FC Köln).

Mein Lieblingstrainer ist der „bosnische Ironiker“ (Süddeutsche) Aleksandar Ristic. Der langjährige Proficoach hatte das kleine Trainereinmaleins als Assistent seines Jugo-Kollegen Branko Zebec beim HSV gelernt. Von Ende der 80er bis Mitte der 90er Jahre irrlichterte Ristic in der 1. Liga bei Fortuna Düsseldorf und Schalke an der Seitenlinie, verteilte Bonbons an Linienrichter, thronte während des Spiels auf einem mächtigen Reklame-Sessel des Klebstoff-Fabrikanten Pattex. Sein lustigster Auftritt: als Weihnachtsmann verkleidet bei einer Pressekonferenz. Legendär ist sein origineller Satzbau: „Mit Sicherheit, kannst Du auch mit defensive Aufstellung offensiv spielen.“

Als personalisiertes Dankeschön (serbokroatisch: „hvala lepo“) für Jahrzehnte lange Fußballaufbauarbeit in Deutschland erhält der Balkan jetzt ein Gegengeschenk: Jens Nowotny. Der in den vergangenen Jahren der Geschwindigkeit nach immer mehr einer bärtigen Litfasssäule ähnelnde Nationalspieler von Bayer Leverkusen geht zum kroatischen Meister Dinamo Zagreb. „Es ist ein Top-Angebot“, sagte Nowotnys Berater Hans-Georg Bischoff. Dinamo-Chefcoach Josip Kuze schwärmte über den größten Transfer der Vereinsgeschichte: „Über ihn muss man nichts Neues mehr sagen.“ Da hat Herr Kuze leider recht.

MARTIN TEIGELER