RAG geht an die Geldbörse

Der Landesregierung gehen die Vorbereitungen der RAG zum Börsengang schnell, der Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau dauert ihr zu lange. Die SPD unterstützt den Kurs des Konzerns

VON HOLGER PAULER

Der politische Kampf um den Essener RAG-Konzern ist entbrannt. Der für 2007 geplante Börsengang des „weißen Bereichs“ um die profitable Energiesparte soll nach Willen der Landesregierung verschoben werden. Auch die staatliche Subventionierung des „schwarzen Bereichs“ der defizitären RAG-Tochter „Deutsche Steinkohle AG“ (DSK) steht in der Kritik. Die NRW-FDP hatte einen Ausstieg für 2008 oder 2010 als Bedingung für den RAG-Börsengang gefordert. Der Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau soll aber nach Willen der RAG frühestens im Jahr 2018 vollzogen werden, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. 2007 will der Konzern an die Börse – ohne die Tochter Deutsche Steinkohle AG (DSK).

Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) und die christdemokratische Landtagsfraktion berufen sich auf Gutachten, die den geplanten Börsengang zum zweiten Quartal 2007 ebenso ablehnen, wie den Börsengang des gesamten „weißen Bereichs“. Nach Willen des RAG-Konzerns sollen die großen Kernbereiche unter einem Dach bleiben: die Chemie-Tochter Degussa, der Kraftwerkbetreiber Steag und die Wohnsparte RAG-Immobilien. Der Börsengang der einzelnen Sparten könne etwa das Doppelte erbringen, wie der Verkauf des gesamten Konzerns, glaubt dagegen CDU-Fraktionsvize Christian Weisbrich: „Die Politik kann sich nicht mit vier Milliarden Euro abspeisen lassen.“

„Die Rechnung geht nicht auf“, sagte Axel Horstmann, Fraktionsvize im Düsseldorfer Landtag, zur taz. Die Eigentümer des RAG-Konzerns hätten signalisiert, ihre Anteile zurück zu geben – für den symbolischen Preis von einem Euro. ThyssenKrupp hat dies bereits getan, RWE und E.on wollen folgen. „Sollte der Börsengang den doppelten Ertrag einbringen, werden sich die Konzerne überlegen, ob sie ihre Anteile für einen Euro verramschen“, so Horstmann. Außerdem sei es für die Regionalwirtschaft in NRW wichtig, ob Steag oder RAG-Immobilien ihren Sitz in Essen haben oder „irgendwo anders auf der Welt“. Die Regierung sei dagegen nur auf die schnelle Mark aus.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Börsengang war der Erwerb der 43,1 Prozent Degussa-Anteile des Energiekonzerns E.on. Vorher besaß die RAG bereits 50,1 Prozent. Auch am Wohnungsmarkt erhofft sich der Konzern weitere Gewinne. Gerüchten zu folge will RAG-Immobilien 73.000 Wohnungen der Gelsenkirchener Treuhandstelle GmbH (THS) erwerben. Teilhaber ist sie bereits. RAG-Konzernchef Werner Müller hatte bereits im vergangenen Jahr sein „Interesse“ im Falle eines Börsengangs signalisiert – mit einer kleinen Spitze: „Wieso sollen wir etwas kaufen, was uns sowieso schon gehört“, sagte er auf der Bilanzpressekonferenz 2004/2005. Nach einer Trennung von der Wohnungssparte zwecks Börsengang hört sich das nicht an.

Die DSK soll laut RAG vor dem Börsengang in eine Stiftung überführt werden. Doch die Anschlussfinanzierung bereitet Probleme. Schätzungen gehen von Altlasten in Höhe von elf Milliarden Euro aus. Die Aufwendungen bis 2012 für Bergschäden und Renten würden wie bisher aus den Subventionen gedeckt, so die Version von RAG-Boss Müller. Zu den gebildeten Rückstellungen von derzeit 6,7 Milliarden Euro kämen vier Milliarden Euro, die die RAG bei ihrem für 2007 geplanten Börsengang erlösen will.

Doch es gibt ein weiteres Problem. Sollte der Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau vor 2018 beschlossen werden, könnten bis zu 15.000 betriebsbedingte Kündigungen fällig werden. Die Förderung von derzeit 26 Millionen Tonnen jährlich soll bis 2012 auf 16 Millionen Tonnen, die staatlichen Subventionen von derzeit 2,5 Milliarden Euro auf 1,7 Milliarden Euro abgesenkt werden. Die Zahl der Bergarbeiter soll gleichzeitig von 34.000 auf 19.000 reduziert werden.

Bund und Land wollen laut Wirtschaftsministerin Thoben die Zahlen der RAG vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle auf Plausibilität prüfen lassen. Die Landesregierung strebt Einsparungen bei den Kohlebeihilfen in einer Größenordnung von 750 Millionen Euro im Landeshaushalt allein in dieser Legislaturperiode an. „Es ist grotesk wenn die Regierung auf die Zeit drängt und die Subventionen kürzt, ohne zu wissen, wie sie einen früheren Ausstieg bezahlen will“, sagte SPD-Politiker Axel Horstmann. Zusätzliche vier Milliarden aus der Zerteilung des Konzerns kämen ihr da gelegen.