hamburger szene
: Liegen lernen

Am Abend im Beachclub am Elbufer. Nach zwölf Stunden 40 Grad trifft sich halb Hamburg zwischen Südsee-Bars für erwachsene Sandkastenspiele mit Poolblick. Sehr begehrt, um den Tag entspannt dekadent ausklingen zu lassen, sind die paar Divan-Liegen, deren Polster so weiß sind wie der künstliche Sandstrand. Neben einem längst vergessenen Lenorhandtuchgefühl erzeugen sie eine einfache Neid-Missgunst-Gleichung: Wer auf einer liegt, ist König. Wer nicht, wirft den wenigen Königen böse, hasserfüllte Blicke zu. Normalerweise bleibt es dabei.

Doch nach vielen Caipirinhas und Alkopops lässt eine Frau mit rauchiger Stimme ihrer Enttäuschung über die persönlich harte Strandbarwirklichkeit aus Baumstümpfen und Liegestühlen freien Lauf. Vor dem Damen-WC schreit und spuckt sie, droht mit Mord und Totschlag. Sie kann einfach nicht mehr. Nach sieben Stunden, in denen sie vergebens um die Liegen geschlichen sei, in denen sie auf hartem Sand gelegen und trotzdem dasselbe für Speis und Trank bezahlt habe, schließt sie sich ein auf dem Klo. Die Managerin kommt und droht mit Rausschmiss. Die Eingeschlossene versteht die Welt nicht mehr: Keine Liege und dann noch nicht mal Verständnis. Die Managerin ruft die Sicherheitsleute, für die es endlich mal etwas Richtiges zu tun gibt, nachdem sie den ganzen Tag nur Pfandflaschen konfisziert haben.

Angesichts der beiden Schränke vergisst die Frau die Liege und legt sich ohne Protest wieder in den Sand. LUCAS VOGELSANG