hitze, déjà-vus etc.
: Am heißesten Tag des Jahres

Zwar sagt man, dieser Sommer sei der heißeste seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen, doch die Hitze ist nicht einzigartig. Déjà-vus kommen vorbei, sie können sich aber nicht richtig entfalten, denn der Raum, in den einen die Hitze stößt, wird immer kleiner und ab Mittag bestürmt einen die Hitze von allen Seiten, weil es draußen noch ein wenig heißer ist als drinnen.

Unmöglich, vorwärts zu denken, zumindest hier in meinem Zimmer. Ich erinnerte mich an einen heißen Nachmittag in den Neunzigern, als mich die zugezogenen gelben Vorhänge an den Kindergarten erinnerten; wie man immer, wenn’s so warm war, in gedämpften stillen Räumen schlafen sollte und eigentlich nur darauf gewartet hatte, dass jemand kommt und sagt: „Aufstehen.“

Draußen auf der Straße ist es laut, doch der Lärm kommt nur gedämpft zu mir. Das liegt daran, dass die mit der Hitze kämpfenden Sinne keine Zeit haben, sich auch noch um den Lärm zu kümmern. Hitzerekorde sind relativ und Durchschnittswerte. Noch ein wenig heißer und stickiger war es in anderen Sommern in Exwohnungen im vierten Stock gewesen oder in manchen Urlauben. Kühler ist es in den Kellerwohnungen. Hier in der Gegend wohnen viele in Kellerwohnungen, und manchmal lehnt man sich zurück und raucht Zigaretten. Das ist jetzt bestimmt superungesund; andererseits sagt der Kollege Höge, Rauchen in der Hitze sei gut, denn das Nikotin kühle den Körper ab. So streiten sich die Experten.

Abends gab es auf RTL eine Reportage über ein Ehepaar, das 800 Meilen nackt durch England und Schottland gewandert war. Immer wieder waren sie dabei von der Polizei festgenommen worden, hatten aber weitergemacht, weil das eben ihr Ding war. Beide wirkten sympathisch. Danach gab es einen hämischen Bericht über Mitbürger, die für 690 Euro vier Tage lang bei einem Pornodreh in Mallorca zugucken durften. Die Kamera machte sich über die Körper der Lüstlinge lustig; ihre Hühnerbrüste; die verbrannte, leicht lederne Haut, Haltungsschäden und vor allem das Taschentuch, dass sich einer in seinen roten Slip gesteckt hatte – „nicht nur für Schnupfen, höhöhö“. Ist ja auch zum Lachen, diese Männer, halb im Grab schon, neben diesen jungen, braunen, sportlichen Pornokörpern.

Nachts im Hinterhof waren die Geräusche sanfter. Alle hatten alle Fenster offen. Jemand schnarchte, und manchmal mischte sich am Rande, lustig falsch pfeifend, eine Flöte in die gedämpften Geräusche der Stadt. Die Kinderblockflöte tanzte auf dem Teppich entfernter Autos. Jemand spielte sie wohl in Gedanken an seine Kindheit. Nicht lange. Nur kurz.

DETLEF KUHLBRODT