die taz vor zehn jahren über härtere strafen für rechtsradikale gewalt
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Im brandenburgischen Mahlow jagen Jugendliche britische Bauarbeiter. An der Ostseeküste werden Campingurlauber Opfer von Schlägerbanden. Andernorts – stets auf dem Gebiet der früheren DDR – üben sich ebenfalls Jugendliche in Gewalt – vornehmlich gegen Ausländer und generell gegen alles, was ihnen fremd und damit verdächtig vorkommt. In der Öffentlichkeit ruft dies kaum mehr Reaktionen hervor. Lichtenhagen, Hoyerswerda, Dolgenbrodt: Man gewöhnt sich an alles.

Es gehört inzwischen zum rechtsstaatlichen Konsens der Bundesrepublik, niemanden verloren zu geben. Allen eine neue Chance. Deshalb stets der rührige Ruf nach sozialpädagogischen Einrichtungen, damit die Täter sich dort bessern können. Doch dieser Weg ist am Ende. Eine Politik, die nur darauf hofft, daß sich die Lage am Arbeitsmarkt bessert, ahnt nicht, daß die Gewalt nicht endet, wenn die Gewalttäter in Lohn und Brot stehen. Ihre Gründe, gewalttätig zu werden, bleiben unangetastet: Auch ein arbeitsloser Jugendlicher, der sich auf seine weiße Hautfarbe viel Deutschsein einbildet, hat kein Recht, Menschen mit schwarzer Hautfarbe mit Steinen zu bewerfen.

Kein Wunder, daß in der früheren DDR der Ruf nach ihren alten Strafgesetzen wieder laut wird. Die Arbeiter-und-Bauern-Republik hat Jugendliche, die ihre Umwelt terrorisierten, aus dem Verkehr gezogen. Man nenne es nun Besserungshäuser oder auch Jugendstrafanstalt: Wer sich zuschulden kommen läßt, andere körperlich zu schädigen, muß mit harter Strafe rechnen – und mit der Auflage, den Opfern eine angemessene Entschädigung zu leisten.

Der faktische Schmusekurs, dieses halbe schlechte Gewissen ob einer falschen (ökonomischen) Politik, zieht offenbar nicht mehr. Diejenigen, die an der Ostseeküste überfallen wurden, die drei britischen Bauarbeiter werden es danken.

Jan Feddersen in der taz

vom 19. 7. 1996