Spuren des Kommenden

ZUKUNFTSFOTOS Ein deutsch-russisches Ausstellungsprojekt sucht Antworten auf die Frage: Lässt sich das Morgen fotografieren?

Wie kein anderes Medium ist die Fotografie mit einer eigentümlichen Gleichzeitigkeit von Gegenwärtigem und Vergangenem, von Anwesendem und Abwesendem verknüpft: Die Fotografin dokumentiert die Spuren dessen, was stattgefunden hat. Was aber passiert, wenn man die Blickrichtung umkehrt und versucht, festzuhalten, was noch gar nicht passiert ist? Kann man mit dem Auslöser auch Spuren des Zukünftigen festhalten?

Mit dieser Frage haben sich fünf russische und fünf deutsche FotografInnen 2012 auf Einladung des Goethe Instituts Moskau anlässlich des Deutschlandjahres in Russland auseinandergesetzt.

Ganz unterschiedlich sind dabei die fotografischen Herangehens- und Arbeitsweisen. Olga Chernysheva etwa hat den tristen Alltag von Angestellten einer russischen Bank im Kontrast zu deren Werbebildern fotografiert, die den Kunden eine bessere Zukunft versprechen, wenn sie hier ihr Geld anlegen.

Anton Kuryshev und Eva Leitholf wiederum haben die ungewisse Zukunft in gesellschaftlichen Übergangszonen zum Thema gemacht: Kuryshev hat wartende Jugendliche zwischen Bahnhof und Einkaufszentrum beobachtet, Leitholf die Schlafräume in einer Einrichtung für jugendliche Asylbewerber fotografiert.

Mit der Zukunft des Modellhaften setzen sich Jens Sundheim, Sofia Gavrilowa und Vladislav Efimov auseinander. Sundheim hat in der Bochumer Ruhr-Uni Laborräume, Versuchsanordnungen und die arrangierte Natur im botanischen Garten festgehalten. Gavrilowa und Efimov widmen sich staatlichen Bauprojekten in Moskauer Vororten und der konstruktivistischen Architektur der 1920er- und 1930er-Jahre in Moskau und St. Petersburgs, seinerzeit Visionen für eine moderne Stadtentwicklungspolitik.

Mit dem Versprechen von Zukunftstechnologien beschäftigen sich Ricarda Roggan und Yakov Kazhdan: Wie der Zahn der Zeit an technischen Visionen nagt, zeigen die verfallenen Videospielautomaten aus den 1980ern, die Roggan fotografiert hat. Kazhdan wiederum inszeniert Visionen eines Lebens unter der Erde und das Nichteintreten der Zukunft: Ausgangspunkt seiner Arbeit ist eine religiöse Gruppe, die aus Furcht vor dem Weltuntergang ein halbes Jahr in einer Höhle in der Nähe des russischen Pensa ausgeharrt hat.

Gezeigt wurde die Ausstellung „Die Zukunft fotografieren“ bereits in Moskau, St. Petersburg, Nizhny Novgorod, Novosibirsk und Khabarovsk. Im Museum für Kunst & Gewerbe ist sie nun zum Abschluss einmalig auch in Deutschland zu sehen.  MATT

■ Do, 6. Februar, Museum für Kunst & Gewerbe, Ausstellung bis 4. Mai