DAS DING, DAS KOMMT
: Engelmusik für den Hades

DIE HARFE oder Cláirseac ist ein uraltes nationales Instrument der Schotten und Iren und ziert sogar deren Euro-Münzen

Das Problem ist die Zartheit. Das heißt, nicht die Zartheit an sich, davon gibt es ja eher zu wenig auf der Welt. Die Harfe aber, von der hier die Rede sein soll – die ist eben auf Zartheit abonniert, auf Sphärenmusik und Engelsklang, und dieses Klischee nervt Xavier de Maistre ganz gewaltig. Der Harfenist, der jetzt in Hamburg gastiert, wo er bereits seit 2001 an der Musikhochschule lehrt, will nicht so ein Mainstream-Image. Er mag nicht Repräsentant eines Esoterik- und Softie-Instruments sein, denn dann käme er ja gleich mit in die Schönlings-Schublade.

Dabei ist das Instrument wirklich was für Schönlinge und Liebende, seit den alten Ägyptern und der griechischen Antike schon. Da hat ja der legendäre Orpheus seine Eurydike dadurch von den Toten erweckt, dass er den Totengott Hades durch sein Spiel auf der Lyra-Harfe betörte. Orpheus hat sich dann trotz Verbots umgedreht und Eurydike abermals verloren, aber dafür konnte die Harfe nichts.

Tatsache ist, dass auch im mittelalterlichen Europa Harfenisten geschätzte Spielleute bei Hofe waren und dass sogar Tristan seine Isolde durchs Harfenspiel betörte. Wieder eine Liebesgeschichte. So eine hat auch de Maistre: Mit neun Jahren nämlich verliebte sich der in Nizza lebende Franzose in seine Harfenlehrerin – und wurde Harfenist.

Inzwischen ist er einer der wenigen Solo-Harfenisten weltweit, und das ist wirklich selten. Erstens gibt es kaum Repertoire für das Instrument, sodass man sich bei anderen Werken bedienen und mühsam transkribieren muss, was de Maistre mit Verve tut. Besonders liebt er Mozarts Klavierkonzerte und Impressionistisches à la Debussy. Zweitens, und das Problem hatten Harfenisten aller Zeiten, ist das sperrig-fragile Instrument schwer zu transportieren. Die mittelalterlichen Spielleute trugen ihre Instrumente, allerdings handlichere, in einem Lederbeutel auf dem Rücken. Bei Wind und Wetter, da riss dann aber auch gern mal eine Saite.

Heutzutage muss das Instrument umsichtig gepolstert und verschickt werden, was eine mittlere Logistik- und Speditionsleistung bedeutet; de Maistre beschäftigt dafür eine Reisemanagerin. Bei Auftritten in Übersee allerdings nutzt er vorsichtshalber vor Ort gestellte Instrumente. „Man muss promisk sein können“, sagt er lakonisch.

Und selbstständig: de Maistre hat 2010 seine feste Solistenstelle bei den Wiener Philharmonikern gekündigt. Er hatte es satt, Stunden auf einen Einsatz von drei Minuten zu warten, der dann brillant sein muss. Seitdem ist de Maistre eine Art fahrender Spielmann. Wie seine mittelalterlichen Ahnen.  PS

■ Konzert mit Xavier de Maistre, dem Flötisten Magali Mosnier und der Academy of St. Martin in the Fields: Mittwoch, 5. Februar, 19.30 Uhr, Laeiszhalle, Hamburg