Vom Friedensmann zum Kriegsminister

Die Metamorphose des Amir Peretz begann vor knapp drei Monaten. Für ihn selbst wie für die Armee überraschend berief ihn Premier Ehud Olmert ins Amt des Verteidigungsministers. Know-how in Sachen Kampfstrategie gehörte nicht zur Expertise des früheren Gewerkschaftschefs. Peretz’ vertraute Gegner waren Firmen und Finanzminister, keine Terroristen. Inzwischen finden 70 Prozent der Israelis, dass er seine Aufgabe gut macht.

Eigentlich wollte der 1952 in Marokko geborene Peretz selbst Regierungschef werden oder wenigstens ein zentrales Amt bei der Verwaltung des staatlichen Budgets einnehmen. Doch der Wahlkampf der Arbeitspartei unter dem nichts sagenden Slogan „Weil die Zeit reif ist“ kam beim Wähler nicht an. Die rapide steigenden Armutszahlen und die soziale Verunsicherung spielten beim Urnengang weniger eine Rolle als die Sicherheitslage und mögliche politische Lösungen vor allem mit Blick auf die Hamas-Regierung. Wenn Peretz mit einer Tausend-Dollar-Spielgeldnote winkend auf Wahlveranstaltungen versprach, die Mindestlöhne anzuheben, löste das allenfalls ein müdes Lächeln aus. Die Zeit für eine Rückbesinnung auf Inhalte war doch noch nicht „reif“. „Wir werden auch Frieden machen“, sagte er dann, nur wie genau, blieb offen.

Schnell passte sich Peretz seiner neuen Aufgabe an, wetterte gegen Kürzungen im Verteidigungshaushalt und dachte nicht mehr an diejenigen im Volk, die ihm sein Wahlversprechen abgenommen hatten. „Vergiss die Sozialagenda nicht“, mahnte seine Parteigenossin Sheli Jechimowitsch diese Woche. Doch Peretz kämpft inzwischen an neuen Fronten.

Die Form blieb dieselbe, nur die Inhalte änderten sich. Mit dem gleichen Pathos, mit dem er einst die Arbeiter in den Streik trieb, feuert er nun die Soldaten in Gaza und im Libanon an. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah sei des Todes und auch die Beiruter Regierung werde „den Preis bezahlen“, so droht der stets als Mann des Friedens geltende Peretz und lässt die Armee machen. Längst ist es ein offenes Geheimnis, dass nicht der Verteidigungsminister die Entscheidungen trifft, sondern sein Stabschef. „Wir stehen nicht mit der Stoppuhr in der Hand“, kommentierte Peretz kürzlich die Frage, wie lange die Offensive noch dauern werde. Chefsoldat Dan Chalutz hat freie Hand.

Peretz tourt derweil in den Bunkern, nimmt verängstigte Kinder auf den Schoß und umarmt die Leute in den von Raketen bedrohten Städten. Hier ist er wieder in seinem Element, volksnah. „Amir“, rief ein Jugendlicher, als Peretz hereinkommt. „Etwas mehr Respekt“, mahnt ein Offizier: „Hier kommt der Verteidigungsminister.“ SUSANNE KNAUL