Verwirrspiele

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Gut eine Woche nach der Entführung zweier Soldaten in den Libanon entwickeln sich die Begleittöne der israelischen Offensive zu einem verwirrenden Missklang. „Wir haben 50 Prozent der Hisbollah-Schlagkraft zerstört“, meinte Transportminister Schaul Mofas selbstbewusst, als er gestern das Eisenbahndepot in Haifa besuchte, in dem am Sonntag acht Menschen starben. Dass die Hisbollah die arabischen Staaten um Unterstützung bat, „beweist den Erfolg der Operation“. Mehr als 2.000 Angriffe ist die israelische Luftwaffe seit Beginn der Offensive geflogen. Trotzdem gingen gestern im gesamten Norden Israels erneut die Sirenen los. Kurz darauf regneten mindestens 20 Raketen auf sieben Städte und Ortschaften herunter. Erst am Vorabend starben zwei Kinder in Nazareth. Für die israelische Bevölkerung wird vorläufig eine Schwächung der Hisbollah nicht erkennbar.

Ähnlich unklar sind die Stellungnahmen über die Dauer der Operation. Hatten Armeeangehörige bereits am Dienstag ein Ende der Angriffe innerhalb von zehn bis 14 Tagen in Aussicht gestellt, so sprach Stabschef Dan Halutz gestern wieder von „lang andauernden Kämpfen“. Halutz ignorierte damit die internationalen Bemühungen, den Konflikt zu einem schnellen Ende zu führen.

US-Außenministerin Condoleezza Rice wird möglicherweise doch noch an diesem Wochenende in den Nahen Osten reisen, berichtete die Washington Post. Es werde dabei aber nur an eine „begrenzte Zuhörmission“ in Israel und Ägypten gedacht, meldete die Zeitung, die sich auf einen US-Regierungsbeamten berief. Man denke daran, dass Rice ein Team in Israel zurücklasse, zu einem Treffen südostasiatischer Staaten nach Malaysia reise und möglicherweise nach Israel zurückkehre. Voraussetzung hierfür sei, dass es dem US-Team bis dahin gelungen sei, die „richtigen Bausteine“ für weitere Gespräche aufzustellen.

Sollte die Offensive beendet werden, bevor die Infrastruktur der Hisbollah zerschlagen ist, wäre Israels Ziel verfehlt. Verteidigungsminister Amir Peretz signalisierte, dass die Armee ihre Bodenoffensive ausweiten könne. „Wir haben nicht die Absicht, den Libanon zu besetzen“, meinte Peretz, was aber nicht bedeute, „von bestimmten Maßnahmen Abstand zu nehmen“. Bislang halten sich die Infanteristen nur etwa 1,5 Kilometer nördlich der Grenze auf.

Weiter verwirrt die Frage, welche Haltung Israel gegenüber einem möglichen Gefangenenaustausch einnimmt. Premierminister Ehud Olmert ist es leid, darauf überhaupt noch zu antworten. Mehr als einmal hatte er sich „gegen Verhandlungen mit den Terroristen“ gestellt. Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums wiederum appellierte im ZDF indirekt an die Bundesregierung, „die gleichen Funktionäre“ zu aktivieren, die vor zwei Jahren im Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hisbollah vermittelt hatten.

Damals wurden ein israelischer Drogenhändler und die Leichen dreier entführter Soldaten gegen über 400 zumeist palästinensische Häftlinge gehandelt. Der Austausch, der schon damals umstritten war, wird von Kritikern in diesen Tagen als Mitursache für die erneuten Entführungen genannt.

Auf telefonische Anfrage beim Außenamt schränkte Sprecher Mark Regew ein, es handele sich bei der „über diskrete Kanäle“ an die Bundesrepublik geleitete Bitte „lediglich um Informationen über das Schicksal der Geiseln“. Nicht nur aus Deutschland, sondern von „jedem Staat ist Hilfe willkommen“, meinte Regew.