Die Welt zu Gast in Neukölln

EU-KOMMISSAR ZU BESUCH

Die Stadträtin schildert die Probleme mit den Rumänen und Bulgaren drastisch

Ein Hauch von Weltpolitik wehte am Freitag durch den toten Winkel zwischen Neukölln und Treptow. EU-Sozialkommissar László Andor mache sich in der Harzer Straße „ein Bild von erfolgreichen kommunalen Integrationsprojekten für Roma“, hatte das Neuköllner Bezirksamt stolz mitgeteilt. Der Mann, der deutsche Politiker kritisiert hat, weil sie Ängste schüren vor „Armutsmigranten“ aus Rumänien und Bulgarien. Das versprach spannend zu werden. Würde er wieder vom Leder ziehen? Und gegen wen?

Auf der Suche nach Antworten drängte ein Tross von Journalisten, Fotografen, Kameraleuten gegen Mittag in die Lernwerkstatt der Hans-Fallada-Schule. Blitzlichtgewitter empfing den Mann aus Brüssel, als er sich dem Shakehands mit hiesigen Politgrößen stellte. Der Direktor der Schule erklärte, wie man mit den durch den massiven Zuzug von „Roma-Familien“ entstandenen „Herausforderungen“ umgehe – und dank „Willkommensklassen“, rumänischsprachigen Lehrern und neuen Methoden zur „Schule für alle“ geworden sei.

Dann übernahm Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD). „Das alles sind praktische Beispiele für europäische Integration“, hob sie das lokale Klein-Klein auf die Ebene des hohen Besuchs. Und beeilte sich, die Probleme möglichst drastisch zu schildern. Statt „Doktoren und Hochqualifizierten“ kämen eben schlecht Ausgebildete mit vielen Kindern. Bei allen Bemühungen stoße der Bezirk daher an seine „Kapazitätsgrenzen“. Sie hoffe sehr, dass sich die Lage in Rumänien und Bulgarien verbessere, so Giffey – denn die Leute sollten „dableiben und helfen, die Länder aufzubauen“.

Das konnte der Kommissar so nicht stehen lassen. Höflich gratulierte er der Schule zum Erfolg, um sogleich zum Punkt zu kommen: „Rumänen und Bulgaren sind EU-Mitglieder und als solche frei, in jeden Mitgliedsstaat zu kommen, ohne diskriminiert zu werden.“ Geschickt wählte er das Beispiel Frankreich, das arbeitslose Rumänen abgeschoben hat: Das sei „übertrieben“ – er sehe hier „keine Überbeanspruchung von Sozialsystemen“. Überhaupt solle man lieber positive Beispiele wie das Neuköllner fortsetzen – dafür gebe es auch EU-Gelder – „und nicht nur die Probleme betonen“. Das saß. Weil aber Politiker sich nie etwas anmerken lassen – man nennt es Diplomatie –, lächelten alle freundlich und griffen zu den Häppchen. SUSANNE MEMARNIA