Was sich mit Worten kaum beschreiben lässt

HÖRBUCH Kreuzfahrt mit einer seltsamen Spaßgesellschaft: Dietmar Bär liest den Essay „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“ von David Foster Wallace

Wallace hat sich vor seinen Mitmenschen gegruselt, beschrieb sie aber dennoch unglaublich genau

Mitte der Neunzigerjahre fuhr der Schriftsteller David Foster Wallace auf Einladung des Harper‘s Magazine eine Woche lang auf einem Luxuskreuzer durch die Karibik. Ein anderer Autor hätte aus dem Material vielleicht eine ganz hübsche Reportage gemacht. David Foster Wallace machte daraus eine Sternstunde der US-amerikanischen Gegenwartsliteratur.

Mit ethnologischer Gründlichkeit schildert er das Schiff – „so sauber und weiß wie nach einer Kochwäsche“ –, die Umstände und die Tagesabläufe. Mit schrecklicher Genauigkeit beschreibt er die seltsame Spaßgesellschaft auf dieser Kreuzfahrt: „An Bord dürfen Sie etwas tun, was Sie schon lange nicht mehr getan haben: rein gar nichts.“

„Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“ nannte Wallace diesen Großessay, der 2002 beim Mare-Verlag in der großartigen Übersetzung von Marcus Ingendaay als Buch erschien. Nun kann man das Ganze noch einmal vorlesen lassen. Dietmar Bär (der Tatort-Kommissar) hat es vor einigen Jahren für den Hessischen Rundfunk eingelesen, jetzt ist diese Produktion ungekürzt als Hörbuch erschienen. Wie sehr sich Wallace, der sich 2008 das Leben nahm, vor seinen Mitmenschen gegruselt hat und wie sehr er dennoch daran festhielt, sie so genau zu beschreiben, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt – diesem fundamentalen Riss im Leben und im Schreiben dieses Autors kann man dabei nachhorchen.

Dietmar Bär macht aus dem Text keine Rollenprosa. Er hat eine angenehm leicht kratzige Stimme, der man gerne zuhört, und er liest eher zurückhaltend vor. Das nimmt dem Text etwas von seinem inneren Druck (aber davon hat er eh genug) und lässt beim Zuhören dafür größere Freiheiten. Wer sich neulich Wallace’ Mammutwerk „Unendlicher Spaß“ gekauft hat und damit nicht vollständig zurande kam, kann sich jetzt zum Beispiel noch einmal den Abschnitt „Ich bin mittlerweile 33 Jahre alt“ oder „Was sich mit Worten kaum beschreiben lässt“ anhören – und bestimmt neue Motivation finden, sich noch einmal auch an den Roman zu setzen. Im letzteren Abschnitt erläutert Wallace, dass das Meer nirgendwo gleich aussieht – so viele Nuancen der Farbe Blau. Es ist wirklich ein lohnendes Hörbuch. drk

■ David Foster Wallace: „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“. Gelesen von Dietmar Bär. Hörverlag, München 2010, 4 CDs, 275 Min., 14,99 Euro