Play station mit mir

SPIELZEUG Unter Männer sind neuerdings Hobbys verbreitet, die man bislang doch eher bei Kindern vermutet hätte

Es ist wie Weihnachten, mit GT6 neue Autos auszuprobieren, die Matterhornstrecke entlangzurasen

VON DETLEF KUHLBRODT

An dem Tag, als endlich GT6 im Briefkasten lag, ging die Playstation kaputt. Einen Tag lang probierte ich tausend Dinge, startete immer wieder Notfallprogramme, die schon nach zwei Prozent Ladestatus zwei Minuten lang hängenblieben: Die Playstation startete neu und konnte wieder nicht auf sich selbst zugreifen. Mit einer Stoppuhr maß ich die Dauer der vermeintlichen Reparaturen und schöpfte neue Hoffnung, wenn das Programm, das nichts brachte, zehn Sekunden weniger brauchte.

Reparaturprogramme liefen die ganze Nacht, und am nächsten Tag hieß es immer noch, das Gerät bereite sich darauf vor, irgendwelche Aktionen auszuführen. Schließlich wählte ich Option 5. Option 5 funktionierte wider Erwarten. Die Festplatte wurde in den Ausgangszustand zurückgezaubert und das Autorennen konnte beginnen, nachdem ein 2 Gigabyte großes Update installiert wurde.

50 Millionen Mal verkauft

Mit Rachmaninoff unterlegt startet der Vorspann der sechsten Version von GT, Gran Turismo, des erfolgreichsten, größten, wichtigsten Autorennspiels der Welt. Die gesamte Reihe hat laut Angaben von Sony Computer Entertainment bisher mehr als 50 Millionen verkaufte Spiele erreicht. Im Vorspann sieht man aufmerksame Arbeiter, Zeichner, Ingenieure, Schneider bei ihrer Arbeit. Geistvoll und schön, wie sie alle superpräzise an neuen Autos basteln. Und Rennfahrer natürlich.

Wie der Leser schon bemerkt haben wird, bin ich ein enthusiastischer Autorennfahrer. Meine Begeisterung für den Autorennsport an der Spielkonsole hat sicher viele kindliche Ursprünge. Sie begann tatsächlich in dem Jahr, in dem ich aufhörte, mit richtigen Autos zu fahren. Nicht dass ich 1998 bewusst das Autofahren aufgegeben hätte, das eine (ich hatte den Wagen einer Freundin zu Schrott gefahren) hatte mit dem anderen gar nichts zu tun – es ergab sich eher so. Freunde hatten eine Playstation und fixten mich an.

Ein Jahr zuvor war Gran Turismo rausgekommen. Im Arcade-Modus gehört es zur Gattung der Rennspiele; im GT-Modus war es „the real driving simulator“. In diesem Modus sind auch rudimentäre Kenntnisse des Verhaltens echter Autos erforderlich. Tausend Dinge konnte man kaufen, verstellen und einbauen.

Oft besuchte ich die Freunde und wir spielten im Sommer; erst GT1, dann GT2. Sie waren viel besser als ich, gründeten später Familien, während ich mir meine erste Konsole und verschiedene Autorennspiele kaufte. „Motorstorm“ oder „Need for Speed“ sind auch recht schön, spannend und actionreich auf spektakulären Strecken; doch die Performance der Autos, vor allem der Gegner, ist nicht besonders wirklichkeitsnah. Der Trumpf von GT liegt in der Anzahl der Autos – mittlerweile über 1.000 – ihrer Performance, der vielen Tuningmöglichkeiten und in der Wirklichkeitsnähe der Strecken. Und mit jeder neuen Version sind viele hundert Mitarbeiter darum bemüht, der Wirklichkeit etwas näher zu kommen. Teams fahren durch die Welt, nehmen die Geräusche auf und vermessen die ganzen Rennstrecken. Der Nürburgring aus GT4 unterscheidet sich doch sehr vom Nürburgring aus GT6. Und das Fahrverhalten der Autos verändert, verfeinert sich natürlich auch mit jeder neuen Version. Was man dann merkt, wenn man unterschiedliche Versionen hintereinander spielt.

Vor ein paar Jahren hatte ich beim Fußballgucken eine ehemalige holländische Fußballnationalspielerin kennengelernt, die für Gran Turismo Autorennstrecken dokumentiert hatte. Endlich konnte ich einmal mit einem Erwachsenen reden, der Autorennen nicht doof findet.

Das Sounddesign ist ambitioniert und lässt sich beim Spielen mit Musik nach Wahl kombinieren, die man leiser oder lauter machen kann. Wem’s gefällt, der kann sich mit Kopfhörern, Lenkrad und Cockpitview ziemlich abkapseln; ich fahre eher leise und lasse ein Album von Boards of Kanada im Hintergrund laufen. Das Gleitende gefällt mir am Autorennen besonders gut.

Am Anfang ist es wie Weihnachten, mit GT6 zu fahren, neue Autos und Strecken auszuprobieren, die Matterhornstrecke entlangzurasen. Sich in einem Feature auch auf dem Mond mit einem Sechstel der üblichen Schwerkraft zu versuchen. Später ist es auch oft wie Arbeit, die manchmal nervt, weil die Fahrprüfungen relativ einfach sind oder weil man noch so und so viel Credits einfahren muss, um sich das Auto zu besorgen, mit dem man ein bestimmtes Rennen gewinnen kann.

Zuweilen fühlt man sich ein bisschen nostalgisch, denkt an die Situationen, in denen man früher herumfuhr, erinnert sich an die vielen Rallyestrecken von GT4, ist ein bisschen enttäuscht, dass es so wenige Rallyerennen gibt, überlegt, wie man GT noch besser machen könnte.

Leider fehlt ein Schadensmodus (die Autoindustrie möchte das nicht) und wenn man ein anderes Auto rammt, klingt es eher so, wie wenn Tupperware-Dosen aneinanderstoßen. Bei kleineren Unfällen erholen sich die gegnerischen Autos viel besser als das eigene. Beim Himmel hat man sich zwar Mühe gegeben. Gerade die Nachthimmel werden immer besser, aber es werden wohl noch viele Jahre vergehen, bis alles halbwegs natürlich aussieht.

Eine neue Innovation sorgt auch für Unmut unter den vielen ehrlichen Playstation-Autorennfahrern. Dass man sich wie bei Browserspielen Credits nicht nur erspielen, sondern auch kaufen kann.