Stolpersteine
: Es waren Nachbarn

Die Kritik an den Stolpersteinen befremdet – handelt es sich doch um eine gelungene Form des Gedenkens, die nur mit Hilfe gedanklicher Akrobatik missverstanden werden kann. So argumentiert die Vorsitzende der Göttinger Jüdischen Kultusgemeinde, Eva Tichauer Moritz, aus dem Bauch heraus und wenig überzeugend.

Kommentarvon Gernot Knödler

Unangemessen findet Tichauer Moritz es, dass die Steine mit Füßen getreten werden. Dann müssten Marilyn Monroe und Neil Armstrong im Grabe rotieren: Ihre Namen sind auf dem Hollywood Walk of Fame in den Gehsteig eingelassen. Keiner käme auf den Gedanken, dass sie dadurch beleidigt würden. Auch befürchtet sie, die Steine könnten bespuckt werden. Das Gleiche gilt für jede Gedenktafel.

Ihre Kritik geht an der Idee der Stolpersteine vorbei: dass sie nämlich unaufdringlich ins Alltagsleben eingelassen sind. Sie erinnern nicht an Berühmtheiten, sondern an ganz normale Nachbarn, die aufgrund eines willkürlichen Kriteriums aussortiert und ermordet wurden.

Es ist unangebracht, dass Tichauer Moritz als Vertreterin einer jüdischen Gemeinde beansprucht, die Regeln für angemessenes Gedenken festzulegen. Schließlich geht es darum, wie sich die Deutschen an ein Verbrechen erinnern wollen, das sie an ihren Mitbürgern, an der eigenen Nation, begangen haben.