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Archiv-Artikel

Sigmar Gabriel wandert sich warm

Auf Besuch im Pfälzerwald und im Altmühltal bemüht sich der SPD-Politiker, das Image des Kohleministers abzuschütteln. Er will fachpolitische Kompetenz unter Beweis stellen – und macht deutlich, dass er sich zu Höherem berufen sieht

VON ULRIKE HERRMANN

Es ist heiß, im Schatten lockt ein Brezel-Imbiss, aber Sigmar Gabriel bleibt unermüdlich: „Ist das da hinten eine Mutterkuhherde?“ Tatsächlich, weit entfernt im schwülen Dunst wandern ein paar müde Kühe über die Weide.

Der Umweltminister unternimmt eine Sommerreise durch den Pfälzerwald und das fränkische Altmühltal. Er besteigt in die Baumwipfel gebaute Pfade und beugt sich über Apollofalter. Er lässt sich Mauerpfeffer, blaue Disteln und „Blockschutthalden“ zeigen. Gabriel: „Ist das eine natürliche Halde?“ Diese Frage ist offenbar kundiger, als sie wirkt. Der Führer jedenfalls stürzt sich begeistert auf das Thema.

Der Umweltminister will zum obersten Naturschützer Deutschlands werden. Es trifft ihn, dass er für Greenpeace nur noch der „Kohleminister“ ist, weil er die Emissionsrechte für Kohlendioxid kostenlos an die Industrie verschenkt hat. Der Bund für Umwelt und Naturschutz war ebenfalls wütend und schaltete eine ganzseitige Anzeige: 40 Milliarden Euro hätte Gabriel an die Energiekonzerne verteilt.

Also will Gabriel „nicht mehr nur über die Schwierigkeiten beim Klimawandel reden“, sondern „die Leute bei den Riesenemotionen packen“. Will ihre „Heimatliebe“ aktivieren und für den Naturschutz werben. „Riesenemotionen“, dieses Wort kommt auf der zweitägigen Reise noch häufiger vor.

Über Zukunftsperspektiven äußert sich Gabriel nur indirekt: „In diesem Land konnte eine Umweltministerin Kanzlerin werden.“ Mehr sagt er nicht vor den Ortsbürgermeistern im Pfälzerwald. Aber sie haben ihn verstanden. Schließlich wirkt die SPD, als könnte sie weiteres Führungspersonal gebrauchen. Arbeitsminister Müntefering verhaspelt sich gerade mit seinem Plan, ein Kombilohnmodell für Ältere einzuführen. Die harmloseste Kritik daran ist noch, dass es nicht viel bringen dürfte. Und der neue Parteichef Kurt Beck wiederum wirkt wie das Gemüt der SPD, aber nicht wie ihr Kopf.

Doch noch ist es zu früh für Gabriel, um Ambitionen anzumelden. Jetzt muss er sich erst einmal bewähren, muss zeigen, dass er zur disziplinierten Fachpolitik fähig ist. Er weiß, dass auch die eigene SPD-Fraktion auf Fehler lauert und dass viele Kollegen ihn gern in der allerletzten Reihe im Bundestag gesehen hätten. Schließlich ist er ein Newcomer im Parlament, ein Wahlverlierer aus Niedersachsen.

Da helfen Bündnispartner. Gabriel ist gerade wieder vom Baumwipfelpfad heruntergeklettert, als Kurt Beck im Helikopter einschwebt. Der SPD-Chef bleibt nur kurz, verschwindet dann weiter nach Berlin, um mit Kanzlerin Merkel über die miese Stimmung in der Koalition zu beraten. Aber eine halbe Stunde wird Gabriel gewährt, in der er seine neuen Naturschutzerkenntnisse vorführen kann.

Er erzählt vom täglichen Flächenverbrauch in Deutschland – 120 Hektar! – und wie trockengelegte Moore Kohlendioxid ausdünsten. Beck lächelt und schweigt. Die Ortsbürgermeister der Umgebung gucken hochachtungsvoll, aber distanziert. Gabriel registriert das sofort, wird konkreter und spendet Mitleid: „Die schönsten Regionen sind nicht die reichsten.“ Erfreutes Nicken. Wieder hat Gabriel sein Ziel zumindest verbal erreicht: Er will den Naturschutz „nicht gegen die Menschen“ durchsetzen.

Zur Bündnispolitik des Umweltministers gehört auch, nichts auf den politischen Gegner kommen zu lassen. Das würde ja nur kleinlich wirken. So setzt Gabriel zu einer längeren „Ehrenrettung der Grünen und meines Vorgängers Trittin“ an, von der inhaltlich nur das Wort „Ehrenrettung“ hängen bleibt. Über CDU-Kanzlerin Merkel: „habe ich als verlässliche Partnerin erlebt“. Über den CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel: „ein toller Kollege“. Über CSU-Agrarminister Seehofer, mit dem er so manchen Kompetenzstreit ausficht: „Bei dem kann man ein offenes Ohr finden.“

Das wirkt, wie die Konkurrenz anerkennen muss. „Gabriel verkauft sich gut und hört interessiert zu“, attestiert Eva Bulling-Schröter, eine der drei bayerischen Linksparteiler im Bundestag. Auch die Naturschützer sind begeistert vom Fachverstand ihres Ministers: „Er wirkt gar nicht künstlich. Wenn es eine Show ist, dann ist sie perfekt.“