Ein neuer Krieg droht in Somalia

Nach dem Einmarsch äthiopischer Truppen in das Land am Horn von Afrika wollen die islamistischen Machthaber in Mogadischu die Angreifer vertreiben

Die Islamisten-Milizen der UIC drohen mit einem „heiligen Krieg“

VON ILONA EVELEENS

Die Welt schaut auf den Libanon – und lässt einen anderen Konflikt am Horn von Afrika in den Hintergrund rücken: Nachdem am Donnerstag äthiopische Truppen in Somalia eingerückt waren, droht nun die an der Macht befindliche „Union Islamischer Gerichtshöfe (UIC) mit einem „heiligen Krieg“ gegen die Soldaten des Nachbarlandes. Äthiopien dagegen bestreitet die Anwesenheit seines Militärs auf somalischem Gebiet. „Das Risiko für einen totalen Krieg nimmt jeden Tag zu“, meint John Pendergast von der Expertengruppe International Crisis Group.

Nach dem Sturz des Militärmachthabers General Siad Barre 1991 ist Somalia nicht mehr zur Ruhe gekommen. Ein Bürgerkrieg, getragen von Clan-Milizen, erschütterte das Land über Jahre – auch eine UN-Militärintervention 1992–95 war erfolglos. Keine Regierung hat seitdem Macht über das ganze Land gehabt. Kriegsherren stritten sich um die wenigen wirtschaftlichen Ressourcen des Landes. Erst vor zwei Jahren bildete sich eine Übergangsregierung unter Präsident Abdullah Yusuf Ahmed mit Sitz in dem Städtchen Baidoa, westlich der Hauptstadt Mogadischu gelegen. Diese Regierung wird von Äthiopien geschützt, aber von der islamistischen UIC bekämpft. Die Islamisten konnten im Juni die Macht in Mogadischu übernehmen. Die erhöhte Spannung in Somalia ist die Folge von Truppenverschiebungen der vergangenen Tage. Anfang dieser Woche marschierten Milizen von der UIC immer näher an Baidoa heran. Die UIC gab verschiedene Gründe für die Anwesenheit ihrer Truppen, etwa 60 Kilometer von Baidoa entfernt, an. „Wir haben in Buur Hakaba desertierte Kämpfer von der Übergangsregierung empfangen“, erklärte ein UIC-Mitglied. Andere behaupten, die Milizen in Buur Hakaba seien da, um „einen neuen islamischen Gerichtshof“ aufzubauen.

Nach Schätzungen befinden sich 3.000 bis 5.000 äthiopische Soldaten seit einigen Wochen zwischen der Grenze zu Äthiopien und dem Sitz der somalischen Übergangsregierung. Journalisten vor Ort berichten jetzt auch von äthiopischen Truppen in Baidoa selbst.

Dabei war nach dem Sieg der islamistischen Milizen der UIC über lokale Kriegsherren in Mogadischu im Juni nach vielen Jahren ein wenig Ruhe in der Hauptstadt eingekehrt. Die Bevölkerung Mogadischus war der UIC dankbar für die zurückgewonnene Normalität.

Die Übergangsregierung von Präsident Abdullah Yusuf Ahmed ist zwar von der internationalen Gemeinschaft anerkannt, hat aber in Somalia wenig Einfluss. Viele Kriegsherren hatten nämlich einen Ministerposten in der Regierung erhalten – in der Hoffnung, damit wäre Frieden in Somalia herstellbar. Die meisten Minister haben nun, nachdem sie vertrieben wurden, ihren Ministerposten verloren. Übrigens finanzierten die USA die Kriegsherren in letzter Zeit: Sie behaupteten, gegen terroristische Elemente in Somalia zu kämpfen.

Der UIC gelang es schnell, ihre Macht über den größten Teil Südsomalias auszudehnen. Anfangs war der starke Mann in der Union der gemäßigte Scheich Sharif Ahmed. Mittlerweile aber scheint Scheich Hassan Dahir Aweys die Nummer eins zu sein. Er ist ein konservativer Muslim – und ein früherer General der Armee von Siad Barre. Die USA beschuldigen Scheich Hassan Dahir Aweys, Kontakte zu al-Qaida zu haben. Er selbst bestreitet das.

Äthiopien bekämpfte in den vergangenen 15 Jahren häufig islamistische Gruppen auf somalischem Boden. Eine war die mittlerweile zerstörte al-Ittihad al-Islamia, wozu auch Scheich Hassan Dahir Aweys gehörte. Der Scheich hasst Äthiopien – aber auch Übergangspräsident Abdullah Yusuf Ahmed wegen dessen Unterstützung durch Äthiopien. Die äthiopische Regierung befürchtet, dass die islamischen Fundamentalisten in Somalia auch islamistische Rebellengruppen in Äthiopien selbst unterstützen könnten. Die Hälfte der Bevölkerung Äthiopiens ist muslimisch. Und in der Ogadenregion wohnen Millionen ethnischer Somalier. „Auf der islamistischen Tagesordnung steht, die Regierung zu stürzen und Äthiopien zu destabilisieren“, meint der äthiopische Regierungssprecher Zemedhun Tekle.

Äthiopien ist nicht beliebt in der somalischen Bevölkerung. Auch Kenia macht sich Sorgen. Schließlich wohnen im Nordosten dieses Landes hunderttausende ethnische Somalier. In Kenia wird angenommen, dass der UIC-Führer Aweys nicht nur einen islamistischen Staat anstrebt, sondern ein Groß-Somalia vor Augen hat. Dazu würden dann auch Teile Äthiopiens und Kenias gehören.