Behälter für Ehemaliges

Das Installationsprojekt „Art Of Memory“ lässt in Münster verschwundene Orte künstlerisch wieder auftauchen

Stimmen und Plätschern aus Badewannen. Alte Reportagen aus einem fiktiven Ü-Wagen. Schattenhafte Tanzpaare in den Bäumen der Promenade. Noch bis Mittwoch sind an drei Orten in Münster Multimediainstallationen des Projekts „Art Of Memory“ zu erleben. Realisiert haben sie die Filmemacherin Lisa Glahn und der Klang- und Videokünstler Peter Cesary Simon. Produzentin ist die „Filmwerkstatt Münster“, seit 1981 auch für ihren „erweiterten Filmbegriff“ bekannt. So jedenfalls sieht das der Leiter Winfried Bettmer.

Das Installationsprojekt „Art Of Memory“ will sechs Tage lang einst lokal wichtige, aber inzwischen „vergessene, aber auch überbaute öffentliche Orte, Räume und Gebäude“ wieder ans Licht holen und aus ihnen „Behälter“ für private, soziale, politische Ereignisse machen. Die Erinnerungen von ZeitzeugInnen an ihre Kindheit und Jugend – die ältesten sind 98 und 100 Jahre alt – wurden in Interviews als „archäologische Fragmente“ gesammelt und künstlerisch rekonstruiert. „Damit sollen Orte und Lebensgefühle wieder auftauchen“, so Lisa Glahn.

Das Lokale ist aber auch international. „Art Of Memory“ ist als Ganzes ein europäisches Netzwerk von Installationen in fünf Städten – Padua, Athen, Bristol, Straßburg, Münster, die zeitversetzt zwischen April und August 2006 präsentiert werden. Um verschiedene Formen der Kommunikation geht es bei den drei Orten in Münster. Als erstes das in den 1970er Jahren abgerissene „Stadtbad 2“, ein öffentliches Badehaus, in dem man für einige Groschen duschen und baden konnte. In den 1930er bis 1950er Jahren herrschte hier vor allem Freitags und Samstags großer Andrang und bildeten sich lange Warteschlangen, die das Bad auch zu einem „Kommunikationszentrum“ für Nachrichten und Tratsch machte. Heute steht dort die Turnhalle der Overbergschule. Glahn und Simon haben in einem Vorbau Lautsprecher in Badewannen gelegt. Aus ihnen hört man Erinnerungen an vergangene Hygiene-Routinen außerhalb der eigenen Wohnung, Alltagsgeschichten aus dem umliegenden damaligen Arme-Leute-Viertel „Klein Muffi“. Zwischendurch sorgen jeden frühen Abend Tropf- und Plätschergeräusche für Badehausakustik.

Die wichtigste Quelle für Informationen von außen, aber auch für Propaganda im Faschismus war lange Zeit das Radio. In Münster stand 1924 die erste Sendestation Westdeutschlands. Das „besondere Ereignis“ Radio, vor dem sich früher oft ganze Nachbarschaften versammelten, soll die Klangskulptur „Ü-Wagen-Radio Münsterland – Welle 410“ auf dem Hafenplatz verdeutlichen. Um eher körperliche Kommunikation, oft auch als Flucht aus dem Alltag benutzt, geht es dagegen in der Installation „Tanzcafé Servatii“. Die von den ZeitzeugInnen oft erwähnten „Tanzvergnügen“ werden hier zu Projektionen. Drei Video-Beamer aus der heutigen „Alex Brasserie“ werfen abends Tanzpaare in schwarzweiß in die Bäume. Die „Schatten der Vergangenheit“ korrespondieren mit dem heutigen Ambiente. MARCUS TERMEER

Bis zum 26. JuliInfos: www.art-of-memory.org