mad cows and englishmen von RALF SOTSCHECK
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Über nichts redet der Engländer lieber, aber nichts trifft ihn unvorbereiteter als das Wetter. Er läuft stets unbeschirmt durch den Regen, denn er rechnet trotz täglicher Belehrung eines Besseren nicht mit einem Schauer. Und erst recht nicht mit einer Hitzewelle. Vorigen Mittwoch wurde der heißeste Julitag aller Zeiten gemessen – 36,3 Grad, das sind 0,3 Grad mehr als 1911 in Epsom.

Die britische Presse berichtet darüber wie aus einem Krieg. Vor allem die Boulevardpresse läuft zur Hochform auf. Ob Mail, Mirror oder Sun – überall noch mehr spärlich bekleidete Damen als sonst. Londons Busfahrern hingegen droht die Entlassung, falls sie in kurzen Hosen zur Arbeit erscheinen. Dabei herrschen in den Bussen Temperaturen von 52 Grad, empört sich die Sun: „Das ist fast doppelt so viel, wie beim Rindertransport als Höchstwert zugelassen ist.“ Aber selbst Rinder, die nicht Bus fahren, drehen durch. In Dorset wurde eine Herde von einem Fliegenschwarm verrückt gemacht und trampelte bei einer Stampede einen Jogger nieder. Einen Jogger? Da bewahrheitet sich mal wieder das Sprichwort, wonach sich nur verrückte Kühe und Engländer hinaus in die Mittagssonne begeben.

Die Daily Mail warnt vor einem anderen Phänomen. „Innerhalb einer Viertelstunde ist ein Bier so warm wie Badewasser“, schreibt das Blatt. Wie günstig! So trinkt es der Engländer doch am liebsten. Die Sun weist mit glühenden Bäckchen auf die Gefahr hin, dass Menschen bei lebendigem Leib geröstet werden könnten. „Wenn die Körpertemperatur 43 bis 44 Grad erreicht, werden die Organe gekocht“, zitiert das Blatt den Medizinprofessor Bill Keatinge. „Das Hirn ist am ehesten betroffen. Es wird wie ein Ei gegart. Es kann danach nie mehr in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden. Das Kochen geht ganz schnell und richtet ungeheuren Schaden an.“ Wie man an der Sun-Leserschaft unschwer erkennen kann. Das Blatt hat einen Fotowettbewerb ausgerufen: Für das verschwitzteste Foto kann man eine Reise nach Island gewinnen.

Auch der Guardian, der sich voriges Jahr nicht nur vom Format her boulevardisiert hat, möchte von seinen Lesern Fotos und Geschichten rund um die Hitze haben. Ein gewisser Glurk findet die Temperaturen großartig: „Alle stinken nach Schweiß, da falle ich nicht weiter auf.“ Archibald Strang berichtet, er habe sich ein Hemd mit dutzenden kleiner Taschen nähen lassen, in die er Eiswürfel steckt. Und Little Jo schreibt: „Vor zwei Jahren war ich während einer Hitzewelle in Frankreich. Dort starben viele Omas. Die Leichenhallen waren überfüllt, weil die Verwandten zu geizig waren, ihren Urlaub abzubrechen und die Omas zu beerdigen.“

Apropos Oma: Auch die Queen hat sich zu Wort gemeldet. Sie beklagte, dass der Rasen vor dem Buckingham Palace nicht gesprengt worden sei. Man sollte die Gärtnereiabteilung von al-Qaida beauftragen. Die könnte gleich den ganzen Palast sprengen.

Die britische Regierung riet der Nation, sie möge die Sonne meiden und viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Oha, welch fundamentale Erkenntnis. Der Rat kommt allerdings zu spät. Die Kabinettshirne sind längst gar gekocht. Man sollte sie mit warmem Bier servieren.