Kampf um Unterstützer und Unterschriften

KOMMUNALWAHLEN Nirgendwo in Deutschland sind die Zulassungshürden zu Wahlen für kleine Parteien so hoch wie in Bayern. Am heutigen Montag endet die Eintragungsfrist in den Rathäusern

Für jede Unterschrift ein Freibier – so warben die Rechtspopulisten von „Pro Passau“

MÜNCHEN taz | Florian Scheungraber hat sich auf den Alten Südfriedhof spezialisiert. Nach Feierabend bietet der Münchner Führungen durch die Grabreihen an. Er hat dort genug zu erzählen, denn auf dem Friedhof liegt allerhand Lokalprominenz begraben. Aber weil das Münchner Rathaus zwanzig Minuten entfernt steht, hat Scheungraber derzeit noch eine zweite Tour im Angebot: Eineinhalb Stunden durch die Altstadt, ohne Gebühr, dafür mit einer Bitte am Ende: Die Teilnehmer sollen doch noch eben ins Rathaus gehen und dort eine Unterschrift hinterlassen.

Nach den Kommunalwahlen im kommenden März möchte der Friedhofsführer nämlich in den Stadtrat einziehen. Er kandidiert für die Wählergruppe HUT, eine Vereinigung verschiedener Bürgerinitiativen, und diese muss bis Montag 1.000 Unterschriften sammeln, sonst wird sie auf den Wahlzetteln nicht erscheinen. Dass kleine Parteien vor Wahlen eine Mindestanzahl an Unterstützern vorweisen müssen, ist normal. Allerdings sind die Hürden nirgendwo in Deutschland so hoch wie in Bayern.

In Baden-Württemberg gilt zum Beispiel: In Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern muss eine Partei 20 Unterschriften sammeln, um zur Kommunalwahl zugelassen zu werden. In Bayern sind es dagegen 120 Unterschriften. Und während Unterstützer andernorts auf der Straße signieren dürfen, müssen sie in Bayern persönlich ins jeweilige Rathaus gehen. Der Aufwand schrecke viele Bürger ab, beklagen Lokalpolitiker. In München hatte bis Mittwoch erst eine Kleinpartei die nötigen 1.000 Unterschriften erreicht: die AfD. Die Wählergruppe HUT um Friedhofsführer Scheungraber steht bei 756 Unterschriften, die Piraten bei 850. Am Montag endet die Eintragungsfrist.

Wer schon im Stadtrat sitzt, muss keine Unterstützer vorweisen. Wer bei der letzten Europa-, Bundestags- oder Landtagswahl in Bayern mehr als 5 Prozent der Stimmen geholt hat, auch nicht. Weil die Linkspartei im Freistaat traditionell schlecht abschneidet, müssen in vielen Kommunen auch ihre Mitglieder Unterschriften sammeln. In Passau organisiert Josef Ilsanker den Wahlkampf der Partei. Hoffnung auf Erfolg macht er sich kaum. „Das Rathaus schließt um 16 Uhr. Wer arbeitet, schafft es nicht rechtzeitig dorthin“, sagt er. Außerdem müssten Unterstützer bis zu dreißig Minuten im Amt warten, bevor sie unterschreiben dürfen. Ein Sprecher der Stadt bestreitet dies.

Vor den Rathäusern um Unterschriften zu werben, ist bayernweit verboten. In einigen Kommunen müssen die Parteien sogar auf Plakate verzichten. „Die bewusst geschaffenen Schwierigkeiten tragen weiter zu Politikverdrossenheit bei“, sagt Xaver Merk, Chef der Linkspartei in Bayern. Das bayerische Wahlgesetz stammt aus den 1990er Jahren. Das Innenministerium begründete seinen Entwurf damals mit der „drohenden Zersplitterung des politischen Spektrums“. Kritiker vermuteten, das Gesetz ziele auf die aufstrebende ÖDP ab. Die CSU verlor einst Stimmen an die konservative Ökopartei. Die ÖDP klagte gegen das neue Gesetz, das Bundesverfassungsgericht erklärte die Hürden aber für zulässig.

Um trotzdem zur Wahl zugelassen zu werden, müssen sich die kleinen Parteien seitdem anstrengen. „Pro Passau“, ein Ableger der „Republikaner“, griff dieses Jahr zu einer zielgruppengerechten Maßnahme: Auf Flyern versprachen die Rechtspopulisten für jede Unterschrift ein Freibier auf dem kommenden Volksfest. Die Stadt Passau hat die Aktion inzwischen verboten. „Anreize monetärer oder naturaler Art“ seien nicht zulässig. Das gelte übrigens auch für kostenlose Busfahrten.

Vorsorglich rät die Stadtverwaltung „dringendst davon ab“, Unterstützer per Shuttle-Service ins Rathaus zu bringen. TOBIAS SCHULZE