Südafrika legt Plan gegen Gewalt vor

Jeden Tag werden 51 Menschen ermordet. Die meisten Tötungsdelikte finden in der Provinz Gauteng mit der Metropole Johannesburg und der Hauptstadt Pretoria statt. Hier will die Regierung jetzt das Verbrechen verstärkt bekämpfen

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Eine Welle von Gewalttaten jagt Südafrikanern täglich Schrecken ein. Nach einer Reihe von Überfällen in Einkaufszentren, auf Geldtransporter und eine tödliche Schießerei zwischen Dieben und Polizisten in der Johannesburger Innenstadt hat die Polizei jetzt einen Plan zur Bekämpfung von Kriminalität vorgestellt. Dabei ist die Gewalt nicht neu, die Zahl der Opfer ist laut Statistik sogar leicht gesunken. Das ist jedoch nur ein schwacher Trost, denn täglich werden 51 Menschen ermordet. Damit liegt Südafrika weltweit an der Spitze der Länder, die unter hoher Kriminalität leiden.

„Solange die Statistik für dieses Jahr nicht vorliegt, ist unklar, ob die jüngsten Verbrechen Zeichen für einen ansteigenden Trend darstellen“, sagt Antoinette Louw, Mitarbeiterin des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS). Die aktuelle Statistik umfasst Zahlen bis März 2005, die nächste ist im September fällig. Doch Sicherheitsminister Charles Nqakula spricht von einer leichten Kriminalitätssteigerung, ohne Einzelheiten zu nennen. Der sechsmonatige Polizeiplan gilt aber nur für die Provinz Gauteng mit der Metropole Johannesburg und der Hauptstadt Pretoria, in der die meisten Gewalttaten passieren. Mehr Präsenz, gezielte Aktionen zur Beschlagnahmung von illegalen Waffen, bessere Polizistenausbildung und schnellere Abläufe in den Notrufzentralen zählen zu den Schritten, die Gewalt jährlich um 10 Prozent reduzieren sollen.

Laut ISS sind in Europa etwa 80 Prozent aller kriminellen Fälle Eigentumsdelikte ohne Gewalt, in Südafrika dagegen sind zwei Drittel davon gewalttätig. Krasse soziale Gegensätze und eine vom Apartheid-Terror geprägte Gesellschaft tragen dazu bei. „Besonders die Mordzahlen sind zu hoch, aber Mord ist das einzige Verbrechen, das mit Interpol-Zahlen aus anderen Ländern mit oft unterschiedlichen Rechtssystemen verglichen werden kann“, sagt Louw. Hinzu kommt, dass Entwicklungsländer, zum Beispiel in Lateinamerika, kaum Statistiken führen oder veröffentlichen und Korruption eine noch stärkere Rolle spielt als in Südafrika, wo auch öfter mal eine Akte gegen Schmiergeld verschwindet.

Problematisch ist auch das mangelnde Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei: Nur 35 Prozent der bewaffneten Raubüberfälle – oft wegen eines Handys oder einer Handtasche – und 50 Prozent aller Verbrechen werden angezeigt. „Jeder muss etwas dafür tun, um die Situation zu verbessern“, sagt Louw. „Wir gewöhnen uns an Gewalt, das Bewusstsein darum darf jedoch nicht nachlassen.“ In vielen wohlhabenden Vierteln gibt es private Sicherheitsdienste, die bei Druck auf den Panikknopf in den Häusern in Minutenschnelle – so soll es jedenfalls sein – mit gezogener Waffe zu Hilfe kommen.

ISS-Recherchen haben ergeben, dass Gewaltverbrechen eher in Townships, Einbrüche häufiger in reicheren Wohngegenden vorkommen. Doch Raubüberfälle und Car-Hijacking können überall passieren, egal ob in Soweto oder im schicken Vorort Sandton, so Louw. Als Car-Hijacking 1998 drastisch auf 16.000 Fälle pro Jahr anstieg, begannen Autofirmen Vorbeugungskurse anzubieten. Eine Anti-Hijacking-Akademie empfiehlt, bei Gefahr rote Ampeln zu ignorieren. Suchsysteme werden auf Kundenwunsch ins Auto eingebaut und führen bei Diebstahl schnell zum Erfolg, und zwar bevor die Autos in Teile zerlegt und außer Landes geschafft werden. Etwa 30 Prozent der gestohlenen Autos werden mit Hilfe von korrupten Beamten in Südafrika neu registriert. 2005 wurden 12.434 Autos mit Waffengewalt gestohlen.

„Das Gewaltproblem kann gelöst werden, denn es sind meistens Syndikate am Werk“, meint Louw. Die Regierung bildete Sondereinheiten und arbeitet mit der Lobbygruppe „Business Against Crime“ zusammen. Die Polizeiarbeit hat sich in den vergangenen 12 Jahren stark verbessert. In Zeiten der Apartheid durften sich Schwarze nur zur Arbeit in weißen Vierteln aufhalten. 80 Prozent der Polizisten kümmerte sich nur um den Schutz dieser Wohnorte. Doch die heutige Polizei ist unterbezahlt, erhält zu wenig psychologische Betreuung zur Behandlung von Traumata und steht unter einem Druck, der sich in steigenden Selbstmordzahlen niederschlägt.