BEZIEHUNGSDRAMA
: Ein Fall für Freud

Intrige, Eifersucht und Hass – das ist das Leben

„Dich berührt einfach nichts, du lässt nichts an dich ran … Und außerdem hast du mich schon in der ersten Woche angelogen!“, sagt sie. „Oh“, denke ich, das hört sich nach einer Seifenoper an. Sie trägt eine dunkle Sonnenbrille. Ihr gegenüber sitze nicht ich, sondern da sitzt ein anderer Mann. Puuuh, Glück gehabt!

Er hat keine Sonnenbrille auf, aber er ist unrasiert und isst Kartoffeln. Er brummelt etwas in seine Bartstoppeln hinein und gibt ihr eine Spargelstange. Eine Spargelstange ist nicht viel. Sie knabbert lustlos an ihr herum. Sie macht ihm erneut Vorwürfe. Ich muss sie mir anhören, weil ich am Tisch daneben sitze und mir schon Ohrenstöpsel in die Ohren stöpseln müsste, was ich aber nicht tue, weil mich Beziehungsdramen faszinieren. Das ist eben das Leben. Da wird aus dem Schützengraben gefeuert, was das Zeug hält. Tragödie, Intrige, Hass, Eifersucht, und diese Dramen haben einen hohen Wiedererkennungseffekt.

Er hört auf zu essen und lässt den halben Teller zurückgehen, das heißt die Hälfte des Essens natürlich, und nicht den halben Teller. Sie macht ihm auch Vorwürfe deswegen, obwohl er ihr vorher noch eine zweite Spargelstange angeboten hatte. Das Handy klingelt. „Papi, Papi“, ruft die Frau aufgeregt. Dann schluchzt sie. Huch, denke ich. Sie reißt sich zusammen. „Ich hör dich so schlecht … Wo bist du? … Ja, mir geht’s gut … Geht’s dir auch gut? … Ja, Papi, ich liebe dich auch … Ja, Papi, bis ganz bald“, sagt sie. Sie legt auf. Wieder schluchzt sie leise. Sigmund Freud würde vor Freude geradezu im Dreieck springen. Wann hat man denn schon mal so einen klassischen Fall?

Der Mann starrt regungslos ins Nichts. Sieht so aus, als ob er ein kleines Problem hat. Seine Chancen stehen nicht gut. Auf der anderen Seite: Wenn mich meine Tochter so verehrte, das würde mir gut gefallen. Da wäre mir Freud aber so was von egal. KLAUS BITTERMANN