PR-Aktion im Discount

Lidl-Kette lässt ihre 33 Hamburger Filialen zwei Wochen lang ausschließlich von Auszubildenden betreiben und hofft, ihr angekratztes soziales Image durch die Ausbildungsinitiative aufzupolieren

VON KAI VON APPEN

Vor gut einem Jahr sorgte die Gewerkschaft ver.di mit dem „Schwarzbuch“ über Arbeitsbedingungen und betriebsinterne Praktiken des Handels-Discounter Lidl für Aufsehen (taz berichtete) – dieser Tage folgte das zweite Schwarzbuch zum Expansionskurs in Europa. In Hamburg indes versucht der Konzern nun, sein Image mit der Ausbildungsinitiative „Superazubi on tour – 2006“ aufzupolieren.

650 Lidl-Auszubildende aus ganz Deutschland sind in die Hansestadt geholt worden, um für zwei Wochen die 33 Filialen selbständig zu führen. Handelskammer-Präses Karl-Joachim Dreyer ist von diesem Ausbildungs-Engagement „fasziniert“, zumal Lidl in Hamburg zehn zusätzliche Lehrstellen auf den Markt wirft. Für Dreyer ein Beweis dafür, dass das „duale System“ in der „Handelsmetropole Hamburg“ funktioniert.

In Teams von 14 bis 26 Personen werden die 17- bis 22-jährigen Auszubildenden die 33 Discountläden voll verantwortlich betreiben. „Wir wollen damit ein klares Signal setzen“, sagt Frank Scheithauer, Regionalgeschäftsführer Hamburg, „den Azubis frühzeitig Verantwortung zu überlassen.“ Die Auszubildenden werden alle anfallenden Arbeiten – vom Öffnen und Schließen der Läden übers Kassieren und Sortieren, der Warendisposition und der Abendabrechnung, bis zum „scharf Schalten des Tresors“ selbst erledigen. „Wir haben unser Stammpersonal komplett in den Urlaub geschickt“, sagt Scheithauer. „Dabei gehen wir das Risiko ein, dass auch mal was daneben geht.“

Überhaupt schwärmt Scheithauer über den Konzern, der „soziale Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit des Landes und der Wirtschaft“ übernehme, in dem „sehr intensiv in Berufsausbildung investiert“ werde und 2.200 Lehrlinge eine „fachlich fundierte und qualifizierte Ausbildung“ bekämen.

Und auch der soziale Touch darf bei der „Superazubi“-Aktion nicht fehlen. So werden Lidl-Lehrlinge zwei Tage lang die Hamburger Tafel begleiten und beim Einsammeln und Verteilen von Lebensmittelspenden helfen. Und auch mit einem „Schnuppertag“ in vier Filialen soll Schulabgängern morgen Einblick in die Einzelhandels-Berufe gegeben werden, um zu zeigen, so Scheithauer, „wie attraktiv Lidl als Arbeitgeber ist“.

Dass dem nicht so ist, davon geht ver.di weiterhin aus. „Es bleibt zu fragen, ob die lange bei der Stange bleiben und wie die Realität aussieht“, sagt Hamburgs ver.di-Sprecherin Sabine Bauer. Möglich sei auch, dass die Auszubildende nur „als billige Arbeitskräfte ausgenutzt“ werden. „Es gibt keine echten Informationen, es gibt keine Jugend und Ausbildungsvertretungen oder Betriebsräte.“ Bauer räumt aber ein, dass es eine „geschickte PR-Aktion“ ist, um von den Arbeitsbedingungen „abzulenken“.