Kaum Chancen auf Annäherung

Erstmals treffen sich serbische und kosovoalbanische Spitzenpolitiker in Wien,um über den künftigen Status der südserbischen Provinz Kosovo zu verhandeln

Die Kosovo-Albaner beharren auf derstaatlichenUnabhängigkeit

SPLIT taz ■ Als eisig beschreiben Diplomaten die Atmosphäre zwischen den kosovoalbanischen und der serbischen Spitzenpolitikern, die gestern erstmals in Wien in die Gespräche über den Zukunf des Kosovos eingriffen. Von serbischer Seite kamen Staatschef Boris Tadić und Premier Vojislav Kostunića, die albanische Bevölkerungsmehrheit in der seit 1999 von den UN verwalteten ehemaligen autonomen Provinz wurde von Präsident Fatmir Sejdiu und Ministerpräsident Agim Ceku vertreten.

Doch die Quadratur des Kreises wird auch bei dieser Gesprächsrunde kaum zu schaffen sein, darüber sind sich die internationalen Diplomaten einig. Seit Februar ist es lediglich gelungen, sich bei einigen praktischen Einzelfragen, die die im Kosovo lebende serbische Minderheit betreffen, anzunähern.

Grundsätzlich gilt: Die Serben wollen keinen Zentimeter ihres Staatsgebietes weggeben, aber der 95-prozentigen albanischen Bevölkerungsmehrheit eine weitreichende Autonomie zugestehen. Die Kosovo-Albaner beharren auf der staatlichen Unabhängigkeit. Man wolle aber die Rechte der im Kosovo lebenden Serben stärken, erklärte Ministerpräsident Sejdiu.

Der finnische UN-Chefunterhändler Martti Ahtisaari soll mit dem österreichischen Spitzendiplomaten Albert Rohan bis zum Jahresende einen Lösungsvorschlag erarbeiten, der dann vom UN-Weltsicherheitsrat oktroyiert werden könnte. Doch auch dort gibt es unvereinbare Standpunkte. Die USA unterstützen die Wünsche der Albaner, die Russen und die Chinesen fürchten dagegen, eine Entscheidung für die Unabhängigkeit des Kosovos könnte Auswirkungen auf den Tschetschenienkonflikt oder den Status von Tibet haben.

Auch in der UN wird also um den Status des Kosovos gerungen. Viele Diplomaten in Brüssel fürchten, eine proalbanische Entscheidung könnte Serbien in große innenpolitische Auseinandersetzungen treiben und das Land destabilisieren. Belgrad droht, eine Entscheidung für die Unabhängigkeit des Kosovos würde die Frage nach der Unabhängigkeit der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina aufwerfen. Zudem würde ein unabhängiges Kosovo großalbanische Wünsche wecken.

In der UN-Mission im Kosovo winkt man zwar ab. Die Kosovaren wollten die Unabhängigkeit, nichts weiter. Keine albanische Partei fordere den Anschluss an Albanien oder die Destabilisierung des Vielvölkerstaates Mazedonien. Doch in den westlichen Hauptstädten werden die Drohungen in Bezug auf Bosnien ernstgenommen. Die Integrität Bosnien und Herzegowinas stehe außer Frage, erklärte kürzlich der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling, eine Volksabstimmung in der serbischen Teilrepublik sei illegal. Es sei ein großer Fehler gewesen, nicht gleich nach dem Einmarsch der Nato 1999 über den Status des Kosovos entschieden zu haben.

Andere Kenner der Geschichte des Kosovokonfliktes setzen die Versäumnisse noch früher an. Schon bei den Diskussionen um die Bildung eines kommunistischen Jugoslawiens hätte das Kosovo den Status einer Republik erhalten können. Als Republik hätte das Kosovo das Recht auf Sezession. Staatsgründer Tito plante sogar noch Mitte der 40er-Jahre die Schaffung einer Balkanföderation, der Jugoslawien, Bulgarien und Albanien angehören sollten. Das Kosovo wäre dann Albanien zugeschlagen worden. Diesen Plan brachte der sowjetische Diktator Stalin zu Fall. ERICH RATHFELDER