Rechts und links des Weges

Wie Sand zwischen den Fingern verrinnt die Erinnerung: Viel über die Flüchtigkeit des Reisens und wenig über Afrika erfährt man in der pusseligen Ausstellung „nawarak lelmal– eine Annäherung an Afrika“ in der Galerie Weißer Elefant

Wie viel Leben passt auf eine Postkarte? Ganz schön viel, wenn man die sieben Karten anschaut, die unter dem Titel „Reisepläne“ in einem kleinen Holzkasten in der Galerie Weißer Elefant ausliegen. Über Kopfhörer kann man kurzen Erläuterungen über Reisen zu Fuß, auf Booten oder fliegenden Teppichen zuhören, deren Wege auf den Karten dargestellt sind. Ein Theaterwissenschaftler aus Accra in Ghana hat die vielen Kreisverkehre seiner Stadt gezeichnet, eine Bäckerin aus Mali das Boot, mit dem man über einen See zu ihrem Heimatdorf kommt, ein Automechaniker aus Indien die Flugrouten, die er gerne nach Europa nehmen würde. Da war er schon fünf Monate lang unterwegs, von Neu-Delhi bis Ceuta.

Dort, in Ceuta, im Auffanglager der spanischen Exklave in Marokko, hat Stephanie Zeiler die Geschichten der Auswanderungswilligen gesammelt und bietet die Postkarten jetzt zum Verkauf an; der Erlös geht an lokale Hilfsorganisationen in Marokko und Westafrika. Stephanie Zeiler ist Künstlerin und die Postkartenkiste „Reisepläne“ ist Teil einer größeren Arbeit über das Leben im Wartezustand in Ceuta. Zeiler selbst kam dorthin in einer Karawane von über 20 Künstlern, die im April 2005 aus Deutschland loszog, Frankreich und Spanien durchquerte, im August in Ceuta und Marrakesch in Marokko Station machte und im September jeweils einige Tage in Mali, Burkina Faso, Ghana, Togo und Benin stoppte. Im Internet kann man wie in einem Album ausführlich durch Bilder der Reise blättern (www.interarte.de, lelmal.de). Unter dem Titel „nawarak lelmal – eine Annäherung an Afrika“ zeigt die Galerie Weißer Elefant, was die Reise den Künstlern gebracht hat.

Schön und dekorativ sind die Panoramafotografien von Sabine Beyerle und David Reuter, Juniorprofessor in Braunschweig und Initiator der Karawane. Sie haben Motive des europäischen Reisenden, der mit Abenteuerlust ins Heiße und Unbekannte aufbricht, mit den Mitgliedern der Karawane nachgestellt. Das beginnt mit dem Safarilook ihrer Reisebusse, mit schwarzweißen Zebrastreifen bemalt. In weiße arabische Gewänder gekleidet, fügen zwei der Künstlerinnen sich ein ins Bild der Fremde, die ihnen aber auch immer so äußerlich bleibt wie das Kostüm. Diese Äußerlichkeit ist es aber auch, die die Ausstellung letztendlich unbefriedigend macht.

Was man als Strategien und Instrumentarien entwickeln kann, um den Prozess des Reisens umzusetzen, steht mehr im Vordergrund als die im Titel versprochene „Annäherung an Afrika“. Nur wenige Künstler versuchen, wie Stephanie Zeiler, den Blick auf das Geschehen vor Ort zu lenken. Dass die Tage der Reise sich so wenig festhalten ließen wie Sand zwischen den Fingern, thematisieren viele der Arbeiten eigentlich ganz poetisch: zum Beispiel mit einer Zeichnung aus vielen Blättern, die vom Wind der Ventilatoren nach und nach von der Wand gerissen werden (André Schumacher). Sabine Hilscher und Matthias Rebstock haben ein Zelt aufgebaut mit einer kleinen Reiseschreibmaschine darin, auf der man die Frage beantworten kann, mit welchem Geräusch man Heimat verbindet. Da liest man von „La Television“, dem „Läuten von Kuhglocken“ und der „Computerlüftung“ und kann sich durchaus zu Hause fühlen. Aber unterwegs in Afrika?

So leidet die Ausstellung, der zudem Erläuterungen über das Wann, Wer und Wohin der Reise fehlen, an einer Verzettelung. Ein lustiger Beitrag wie Frederik Poppes „Barbie Afrika“ ist da nicht der einzige, der in eine Ecke gequetscht wird: In einem schnellen Bildwechsel sieht man Fotografien von blonden Barbiepuppen, die sich mit großen Spritzpistolen schwarz spritzen. Eine merkwürdig autoerotische Angelegenheit, die viele Fantasien über Hautfarbe und Sex spielerisch umwälzt. In die Ecke gedrängt wird die Arbeit von einer Installation des gleichen Künstlers, die politisch korrekt und ästhetisch banal das Thema Flucht und Zwangsprostitution verhandelt. So trickst man sich selbst aus. KATRIN BETTINA MÜLLER

„nawarak lelmal – eine Annäherung an Afrika“, Galerie Weißer Elefant, Auguststr. 21, 10117 Berlin, Di.–Fr. 13–18 Uhr, Sa. 13–17 Uhr, bis 12. August.