Farbenfrohe Verspieltheit

AUSSTELLUNG Mit Alfons Muchas delirierender Ornamentik durch die Geschichte: „Mucha Manga Mystery“ im Bröhan-Museum zeigt Verbindungen zwischen Jugendstil, Psychedelia und den japanischen Mangas auf

Muchas rauschhafte Plakate sind Ikonen des Jugendstil-Überschwangs

VON TILMAN BAUMGÄRTEL

Die Plattencover von Hippie-Bands wie Cream und den Grateful Dead, die japanischen Manga-Comics der Gegenwart – beides ein Spätausläufer des Jugendstils? Das ist die steile These einer Ausstellung, die zurzeit im Charlottenburger Bröhan-Museum zu sehen ist.

Im Mittelpunkt von „Mucha Manga Mystery“ – einer Übernahme vom Zürcher Museum Bellerive – steht der tschechische Grafiker Alfons Mucha (1860–1939). Dessen rauschhafte Plakate mit schwungvoll hingeworfenen Damen in fließenden Gewändern vor dem Hintergrund floraler Ornamente sind Ikonen des Jugendstil-Überschwangs.

Zwar waren viele seiner Entwürfe schlicht Werbung für eher prosaische Produkte wie Fahrräder oder Zigarettenpapier. Doch auf seinen Werbeplakaten schien selbst der Schaum des belgischen Biers, der über den Rand eines Kruges quillt, dabei noch verzückt einen Salto zu schlagen.

Solche farbenfrohen Verspieltheiten gerieten in der Periode des Funktionalismus in Vergessenheit und wurden erst in den 1960er Jahren wiederentdeckt. Muchas delirierende Ornamentik hat Designern wie Wes Wilson oder Bonnie MacLean als Vorbild gedient, die ab Mitte der 1960er Jahre erst Konzertplakate für die psychedelischen Raves in San Francisco gestalteten und später Plattencover für die bekanntesten Hippie-Bands von der Westküste, die in der Ausstellung im Bröhan-Museum eine ganze Wand einnehmen.

In den 1980er Jahren sollen dann japanische Mangaka – die Zeichner japanischer Comics – sich auf das stilistische Vokabular Alfons Muchas bezogen haben. Insbesondere seine dynamische Linienführung wird von zeitgenössischen Mangas aufgegriffen – ein besonders skurriler Fall künstlerischer Globalisierung, denn Mucha selbst hatte dieses Stilmerkmal einst eben aus der traditionellen japanischen Zeichnung abgeleitet.

So visuell evident die Parallelen zwischen Gebrauchsgrafiken aus ganz verschiedenen Epochen und Kulturkreisen auch sind – wie das zustande gekommen ist, erfährt man bei der Ausstellung nicht. Wie direkt die Verbindung ist und wie viel die US-Grafiker der 1960er Jahre und die japanischen Comic-Zeichner der Gegenwart von Mucha und dem europäischen Jugendstil wussten, davon erfährt man in der Ausstellung nichts. Eine auf Schauwert orientierte Präsentation mag damit überfordert sein, hier allzu sehr ins Detail zu gehen. Umso bedauerlicher, dass der Katalog zur Ausstellung bereits vergriffen ist, denn der wäre ein Mittel, um solche Informationen nachzureichen.

Nichtsdestotrotz: Das Bröhan-Museum, das mit seiner Sammlung von Kunst und Design aus der Zeit um 1900 sonst eher ein reiferes Bildungsbürgertum anzieht, hat derzeit eine interessante und ungewöhnliche Ausstellung im Programm, die sogar junges Hipster-Volk nach Charlottenburg lockt.

■ „Mucha Manga Mystery“. Bis 30. März im Bröhan-Museum, Schloßstr. 1, Di.–So. 10–18 Uhr