Mit „Nachhaltigkeit“ geködert

betr.: „Freiburger Heuschrecken-Ängste“, taz vom 20. 7. 06

Hat sich die taz mit Roland Stimpel einen grünen Privatisierungsberater als Kommentator unterschieben lassen? Wenn es eines gibt, was nicht nachhaltig ist, dann ist das die Privatisierung eines Teils der kommunalen Daseinsvorsorge, um mit dem Erlös einen anderen sanieren zu können. Wer dieser Gleichung einfach so zustimmt, ist den neoliberalen Herrschern bereits auf den Leim gegangen.

Gegen die Privatisierung öffentlichen „Tafelsilbers“ spricht: Der fiskalische Effekt ist nur kurz. Wer die Einnahmen-Ausgaben-Situation nicht ändert, hat bald die alten Schulden wieder. Allein weniger Zinsen zahlen zu müssen, hat noch keinen Haushalt nachhaltig saniert. Es lässt sich nur solches kommunale Eigentum verkaufen, das schwarze Zahlen erwirtschaftet. Damit fehlen aber die Überschüsse, mit denen die städtischen Töchter subventioniert werden, die notwendig rote Zahlen schreiben – wie die öffentlichen Verkehrsbetriebe. Also reißen die dafür nötigen Zuschüsse bald umso größere Löcher in die städtischen Haushalte.

Ob nun die Heuschrecken oder andere: Wer Wohnungen kauft, will Geld damit verdienen (anders als die Stadt, für die es reicht, kostendeckend zu wirtschaften). Also entsteht Druck auf die Mieten – oder Druck, zumindest Teile des Bestandes weiterzuverkaufen.

Der angeblich „Mieterträume wahr werden“ lassende Mieterschutz ist bloße Kosmetik. Da steht nichts drin, was nicht auch gesetzlich garantiert ist: Luxusmodernisierung kann der Mieter schon heute durch Widerspruch verhindern; der Mietspiegel ist bereits die Mietobergrenze im bestehenden Mietverhältnis (Überschreitung nur bei Neuvermietung möglich); die Widerspruchsmöglichkeit gegen Kündigungen (faktisch das lebenslange Wohnrecht) steht im Bürgerlichen Gesetzbuch; und die Belegrechte muss die Stadt durch deutliche Abschläge beim Verkaufspreis bezahlen (wenn sie die Wohnungen behält, hat sie Belegrechte an allen für lau).

Fazit: Mit dem Nachhaltigkeitsbegriff wird schon lange kräftig Schindluder getrieben – und auch die Grünen fallen auf neoliberale Politik rein, wenn man sie ein bisschen ködert.

AICHARD HOFFMANN, Mieterverein Bochum e. V.