Zwischen den Fronten im Stellvertreterkrieg

Selbst eine mit robustem Mandat ausgestattete Truppe im Libanon wäre überfordert, wird der Konflikt mit Syrien und Iran nicht gelöst

BONN taz ■ Ginge es nach dem israelischen Verteidigungsminister Amir Peretz, dann würde die Nato im Südlibanon das Kommando übernehmen. Sie würde entlang der israelisch-libanesischen Grenze im Auftrag der UNO eine Pufferzone kontrollieren, um die künftige Waffenruhe zwischen der Hisbollah-Miliz und Israel zu garantieren.

Unabhängig davon, ob sich die USA an dieser Mission mit eigenen Soldaten beteiligen würden, wäre eine solche Konstruktion schon deshalb problematisch, weil eine Nato-Truppe im Nahen Osten als amerikanisch, nicht als europäisch angesehen würde. Stünde das Kontingent zudem noch unter dem wahrscheinlichen Befehl eines amerikanischen Generals, gäbe das dem Verdacht der Araber noch zusätzliche Nahrung, es handele sich um ein pro-israelisches Unternehmen.

Die Erfahrungen mit der Unifil-Mission im Südlibanon, die 1978 nach dem israelischen Litani-Feldzug vom UN-Sicherheitsrat beschlossen wurde und bis heute andauert, sind ernüchternd. Das hat gewiss vor allem mit dem schwachen Mandat der Unifil-Soldaten zu tun, die hilflos mit ansehen mussten, wie damals noch die PLO-Guerillas und später die Hisbollah-Kämpfer ihrem militärischen Geschäft gegen Israel nachgingen. Israel und seine libanesischen Hilfsmilizen wiederum gingen sogar so weit, die Stellungen der Unifil zu beschießen oder die Bewegungsfreiheit der UN-Truppe einzuschränken.

Der Blutzoll unter den UN-Soldaten war hoch. Ihre Erniedrigung durch die Konfliktparteien und der Autoritätsverlust der UNO wiegen schwer. Bis heute. Aber das Versagen von Unifil liegt nicht allein daran, dass die Soldaten den Konfliktparteien militärisch nichts entgegenzusetzen hatten. Auch eine international zusammengesetzte Truppe, die mit einem robusten Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta ausgestattet ist, wäre auf Dauer überfordert, wenn ihre Präsenz nicht in einen Aktionsplan zur politischen Lösung des Kernkonflikts eingebettet wird. Denn der Krieg zwischen Israel und Hisbollah ist auch ein Stellvertreterkrieg, droht also immer wieder aufzuflammen.

Die Lage an der israelischen Nordgrenze ist unmittelbar verknüpft mit der Palästina-Frage und mit dem Konflikt zwischen Israel und Syrien, das die israelisch besetzten Golanhöhen als Preis für einen Friedensvertrag zurückfordert. Das gespannte Verhältnis zwischen den USA und Israel einerseits und dem Iran andererseits spielt hier ebenfalls eine Rolle.

Eine Friedenstruppe im Südlibanon könnte zwar für einen begrenzten Zeitraum für eine Waffenruhe sorgen. Dafür wäre jedoch nicht nur die Zustimmung Israels erforderlich, sondern auch Hisbollah müsste einverstanden sein. Da Hisbollah sich bei allen regionalpolitisch wichtigen Entscheidungen mit Damaskus und vor allem mit Teheran abstimmt, müssen Syrien und der Iran für eine solche Regelung mit ins Boot geholt werden.

Niemand kann ausschließen, dass die „Friedenstruppe“ nicht gezwungen sein könnte, ihren „Kampfauftrag“ zur Erzwingung der Waffenruhe tatsächlich umzusetzen. Aber diese aus überwiegend europäischen Soldaten bestehende Truppe würde wohl kaum Israel militärisch in den Arm fallen, wenn es meint, erneut gegen Hisbollah vorgehen zu müssen. Es ist überdies unrealistisch anzunehmen, die „Friedenstruppe“ könnte so ohne weiteres die UN-Resolution 1559 verwirklichen und Hisbollah entwaffnen. Das ist ohne Einverständnis von Syrien und Iran nicht zu machen. Dafür werden sie einen hohen politischen Preis verlangen, weil sie nicht ohne Gegenleistung auf ihren wichtigsten nahöstlichen Trumpf verzichten wollen.

Für die Regime in Damaskus und in Teheran geht es um ihre Existenzsicherung, die sie nicht durch die Politik der USA und Israels bedroht sehen wollen.

MARCEL POTT

Der Autor, 60, war zehn Jahre lang Leiter des ARD-Hörfunkstudios Nahost, er lebt heute als Publizist in Bonn