Minister mit Überraschungsmoment

Ob die heute in Rom stattfindende Libanon-Konferenz irgendein greifbares Resultat hervorbringt, darf als höchst zweifelhaft gelten. Ein Sieger des Treffens steht allerdings schon vor Beginn fest: Massimo D'Alema, Italiens Außenminister und Vizepremier.

Er nämlich holte die Krisenkonferenz nach Rom, und er wird heute gemeinsam mit Condoleezza Rice die Sitzung leiten. Mit einem Schlag ist Italien wieder ins Zentrum der Weltdiplomatie gerückt, aus dem es sich in den fünf Jahren unter Berlusconi abgemeldet hatte. D'Alema Seite an Seite mit Condi: Nichts kann Italiens Rechte stärker wurmen. Die hatte stets behauptet, der linke Außenminister schwäche das Land vor allem gegenüber den USA, mit dem Irakabzug ebenso wie mit ersten Äußerungen zum Krieg im Libanon, als er Israels Reaktion „unverhältnismäßig“ genannt hatte.

Das Gegenteil scheint wahr zu sein: Der gewiefte Taktiker mit der kommunistischen Vergangenheit hat es, im Tandem mit Regierungschef Prodi, geschafft, Italien als Vermittler zu platzieren, der sowohl mit Israel und den USA als auch mit Libanon und Syrien zu reden weiß. Dabei ist D'Alema eigentlich gar kein Außenpolitiker.

Sein wirkliches Zuhause war immer die heimische Machtpolitik. Schon als Zehnjähriger durfte er, das Tuch der Jungen Pioniere um den Hals, auf einem Parteitag der glorreichen KPI sprechen, und in der Partei arbeitete er sich systematisch nach oben. Nach dem Fall der Mauer gehörte er zu den Befürwortern der sozialdemokratischen Wende hin zur Partei der Linksdemokraten, und 1994 trickste er den damaligen Parteichef Achille Occhetto aus. Dem legte er nach dem ersten Wahlsieg Berlusconis nahe, den Rücktritt einzureichen – die Parteigremien würden die Demission natürlich ablehnen. Es kam anders: Die Gremien nahmen den Rücktritt an – und wählten D'Alema zum Chef.

Ähnlich kühl servierte der schmächtige Mann mit dem Schnurrbart dann 1998 den damaligen Premier Prodi ab, um dessen Amt zu übernehmen.

Doch der Höhepunkt des Erfolgs war der Auftakt zum ersten Karriereknick: D'Alema hatte sich so viele Feinde in Partei und Koalition geschaffen, dass seine Regierung scheiterte.

Noch heute muss er, der den einen als Ausnahmepolitiker, den anderen als abgebrühter Intrigant gilt, mit diesen Feindschaften leben. Er schaffte nach dem Wahlsieg der Linken weder den Sprung ins Amt des Abgeordnetenhauspräsidenten, noch wurde er Staatspräsident; stattdessen fand man ihn mit dem Außenministerium ab. Doch auch dort will er beweisen, dass er besser ist als die meisten, von ihm bloß als „Mittelmaß“ betrachteten italienischen Politiker. MICHAEL BRAUN