Klappentext deluxe

Es war nicht alles schlecht in der DDR. So hat zum Beispiel der allgegenwärtige Ideologisierungsdruck ein ganz besonderes Berufsfeld ins Leben gerufen: Plattencoverbeschrifter. Insbesondere bei der Veröffentlichung westlicher Popmusik mussten die verantwortlichen Redakteure des Schallplattenmonopolisten AMIGA auf irgendeine Weise begründen können, inwieweit das Werk oder die Künstler fortschrittlich im Sinne der Arbeiter- und Bauernmacht wirkten. Es war natürlich nicht immer ganz einfach, aus Sex & Drugs & Rock‘n‘Roll soviel Klassenbewußtsein herauszuhören, dass der zweifellos vorhandene Anteil spätbürgerlicher Dekadenz vernachlässigt werden konnte. Also beschäftigten sich die besseren unter den Musikjournalisten überaus intensiv mit den Biografien der Künstler, betrieben tiefgehende Textexegese und verfolgten mit Akribie musikalische Strömungen bis an ihre Wurzeln zurück. Die auf diese Weise gewonnene Sachkenntnis schlug sich auf sehr positive Weise in den erläuternden Texte auf den Rückseiten der Lizenzveröffentlichungen nieder. Zwar dauerte es bisweilen Jahrzehnte, ehe eine unbedeutende Combo wie die Beatles aus Liverpool in der DDR ankamen, dafür wurden ausführliche Informationen zum Arbeiterklassenhintergrund der Musiker und dessen Einfluß auf Lieder wie „A Hard Day‘s Night“ gleich mitgeliefert.

Nicht so viel Mühe scheint man sich hingegen mit den Orginal-DDR-Veröffentlichungen gegeben zu haben. So ist zum Beispiel der Text auf „Bei mir bist du schön“, dem Debüt des Sinti-Swing-Quintetts, einfach nur unqualifiziert patronisierend, ja geradezu klebrig verschleimt: „Spielerisch probieren sie sich auch heute noch auf verschiedenen Instrumenten aus“. „In seiner Freizeit übt er eifrig auf der Geige.“ Eifrig, soso, kotzen möchte man vielleicht, aber die Band hören? Dabei wäre das ein bedauerlicher Impuls, waren und sind Sinti-Swing doch eine professionelle Kapelle mit starken Bezügen zur musikalischen Tradition Django Reinhardts und Stephane Grappellis, die durchaus nicht des Schulterklopfens unbedarfter .... Aber, lassen wir das. Die Band hat‘s überlebt – bis heute, in Beinahe-Orginalbesetzung. Nur Hans Lauenberger hat die Sologitarre an seinen Sohn Janko übergeben. Besagte Redakteurin arbeitet inzwischen recht häufig für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, was ein Indiz dafür ist, dass sie in den letzten gut zwanzig Jahren eifrig was dazu gelernt hat, was sie auf jeden Fall dringend nötig hatte, nötiger jedenfalls als das Sinti-Swing-Quintett. DANIÉL KRETSCHMAR

■ Sinti-Swing-Berlin: Samstag, 19.30 Uhr. Englischer Garten Altonaer Str. 2