Volkszählung im Meer

ARTENVIELFALT Forscher zählten 185.000 Arten

Was lebt eigentlich im Meer? Diese Frage versucht das vor gut zehn Jahren gestartete Megaprojekt „Census of Marine Life“ zu beantworten. Über 2.000 Wissenschafter aus 80 Nationen beteiligten sich bisher an der ersten Volkszählung im Meer. In dem Online-Journal „Public Library Journal of Science“ (PloS ) veröffentlichten die Meeresbiologen jetzt eine erste Zwischenbilanz: Rund 185.000 Arten sind bislang im Katalog der Meeresbewohner registriert worden.

Bis Ende Oktober werden die Forscher jetzt noch ihre Untersuchungsergebnisse auswerten. Sie rechnen damit, dass bis dahin die Zahl der katalogisierten Arten noch auf bis zu 230.000 ansteigen wird.

Die meisten Arten fanden die Forscher im Meer rings um Japan und Australien. In diesen beiden Regionen wurden jeweils etwa 33.000 Arten registriert. Andere repräsentative Meeresregionen wurden im Durchschnitt von 10.750 verschiedenen Arten bewohnt.

Zu den Hotspots der biologischen Vielfalt gehören auch die Küstenregion vor China, der Golf von Mexiko und das Mittelmeer. Als besonders artenarm ist den Meeresbiologen die Ostsee aufgefallen. Dort sind nur 4.000 verschiedene Organismenarten gelistet.

Robben, Seevögel und Schildkröten sowie die großen Säugetiere sind zwar die auffälligsten und bekanntesten Meeresbewohner. Sie stellen jedoch nur etwa 2 Prozent der biologischen Vielfalt im Meer. Eine besonders große Gruppe sind mit fast 20 Prozent Krebstiere wie zum Beispiel Krabben, Grill, Garnelen oder Wasserflöhe. Nur etwas kleiner ist die Gruppe der Weichtiere – Schecken, Muscheln und Kraken. Sie stellen 17 Prozent der Arten. Der Anteil der Fischarten beträgt nur 12 Prozent.

Allen beteiligten Forschern ist aber auch klar, dass die Bestandsaufnahme nur einen kleinen Ausschnitt vom marinen Leben widerspiegelt. Die weitaus überwiegende Anzahl der Meeresbewohner ist unentdeckt geblieben. Geschätzt wird, dass bis zu 10 Millionen Organismenarten existieren. Die meisten davon haben keinen Namen, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Arten wieder verschwunden sind, bevor die Menschheit überhaupt Kenntnis von ihrer Existenz bekommen hat. Durch Überfischung und die Verschmutzung der Meere wird das Verschwinden vieler Arten noch beschleunigt. WOLFGANG LÖHR