Das Märchen vom Gold

FREITAGSCASINO VON ULRIKE HERRMANN Das in Barren gepresste Edelmetall ist alles andere als eine sichere Geldanlage

■ ist die wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz. Kürzlich erschien ihr Buch „Hurra, wir dürfen zahlen“ (Westend). Es handelt vom „Selbstbetrug der Mittelschicht“, die sich fälschlich zur Elite zählt.

Gold ist ein Mythos, eine Glaubenssache. „Das war die beste Investition meines Lebens“, erzählt ein Kollege, der seine Lebensversicherungen aufgelöst hat, um sich dafür kleine Goldbarren anzuschaffen. Er will für die nächste Finanzkrise gewappnet sein. Den Banken traut er nicht mehr, der Regierung auch nicht. Nur Gold scheint ihm sicher. Weil man es anfassen kann?

Und tatsächlich: Bisher hat er ein Geschäft gemacht. Denn der Goldpreis ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. 2006 kostete die Unze noch 570 Dollar, inzwischen liegt sie bei knapp 1.200 Dollar.

„Peak Gold“ ist vorbei

Nüchtern betrachtet wäre allein schon dieser Preissprung ein Grund, sofort alle Barren zu verkaufen und den Gewinn mitzunehmen, bevor der Kurs wieder fällt. Aber so denken Goldfans nicht. Sie sind keine Börsianer, die Gold wie ein normales Spekulationsobjekt behandeln. Für sie ist Gold wertvoll, weil es Gold ist. Das ist tautologisch, ja, aber wie bei jeder Religion fällt diese Tautologie nur den Nichtgläubigen auf.

Die Goldliebhaber selbst halten sich für knallharte Marktanalysten. Gern rechnen sie jedem erreichbaren Zuhörer vor, dass der Wert des Goldes schon deswegen steigen muss, weil es knapp ist. Denn beim Gold ist bereits eingetreten, was beim Öl nur befürchtet wird: Der Scheitelpunkt der Förderung ist überschritten – „Peak Gold“ dürfte sich 2001 zugetragen haben. Seither steigen die Kosten für jedes Körnchen dramatisch an, das noch aus dem Boden gekratzt werden soll. Für Goldfans ist daher zwingend, dass der Unzenpreis bald auf mindestens 2.000 Dollar hochschnellen muss.

„Peak Gold“ stimuliert ganz offensichtlich die Fantasie: Im Internet finden sich nicht wenige Gold-Gurus, die die Unze sogar bei bald 50.000 Dollar sehen und deswegen lange Traktate abfassen, wie man diesen Schatz bloß sicher aufbewahrt. Die Tipps reichen von Hongkong bis Liechtenstein.

Wie jeder religiöse Fehlschluss basiert auch der Mythos vom Gold auf einer durchaus richtigen Beobachtung: Das Edelmetall ist tatsächlich knapp. In der gesamten Menschheitsgeschichte wurden bisher nur rund 160.000 Tonnen gefördert. Diese Menge ließe sich mühelos in einem einzigen Saal aufbewahren. Würde das weltweit verfügbare Gold zu einem Würfel gepresst, hätte er eine Kantenlänge von nur etwa 19 Metern. Das Bild ist also falsch, das Dagobert Duck in unsere Hirne gebrannt hat. Schon mangels Masse ist es unmöglich, in riesigen Goldvorräten zu baden.

Gold ist knapp – na und?

Gold ist also knapp. Doch diese Tatsache hat nichts zu bedeuten. Korallenriffe sind auch knapp, trotzdem werden selbst die letzten zerstört. Offenbar übersetzt sich nicht jede Knappheit in einen monetären Wert, wie die Goldgläubigen so selbstverständlich annehmen.

Oder um in der Marktlogik zu bleiben: Ein geringes Angebot treibt nur den Preis, wenn die Nachfrage nicht noch geringer ist. Es muss Käufer geben, die glauben, dass ihnen Gold etwas bedeuten könnte. Doch die Interessenten werden weniger, zumindest in der westlichen Welt. Selbst Eheringe werden inzwischen aus anderen Metallen hergestellt. Der Goldmarkt wäre längst zusammengebrochen, wenn nicht wenigstens Inder, Chinesen, Türken und Araber daran festhalten würden, Goldschmuck als Statussymbol zu betrachten.

Doch selbst die muslimischen und asiatischen Goldkonsumenten könnten den Preis nicht stabilisieren, wenn nicht diverse Notenbanken so freundlich wären, einen großen Teil des globalen Goldes in ihren Kellern zu horten. Allein die USA haben 8.134 Tonnen eingelagert, als Zweites folgt dann schon die Bundesbank mit 3.407 Tonnen. Auf dem Papier haben diese Goldreserven zwar einen enormen Wert – doch faktisch sind sie unverkäuflich. Sobald nur eine Notenbank anfinge, ihre Bestände aufzulösen, würde der Markt kollabieren und der Goldpreis ins Nichts rauschen. Daher haben sich 19 europäische Notenbanken in einem „Goldabkommen“ verpflichtet, gemeinsam höchstens 400 Tonnen Gold pro Jahr zu veräußern.

Das Misstrauen der Goldfans

Es ist ironisch: Die Goldfetischisten kaufen Gold, weil sie der Geldpolitik der Zentralbanken misstrauen – dabei sind es diese Zentralbanken, die den Goldpreis stützen und damit den Mythos nahelegen, Gold hätte irgendeinen Wert an sich, der sich durch eine Finanzkrise retten ließe.

Kleinanleger merken immer als Letzte, wohin die Reise geht. Sie sollten ihr Gold jetzt verkaufen. Mehr Profit ist nicht drin

Wer das Gold nicht gläubig überhöht, sondern schlicht als Spekulationsobjekt betrachtet, wird schnell feststellen, dass kaum ein Engagement riskanter ist – und sich so wenig lohnt. Denn es ist zwar banal, aber trotzdem nicht unerheblich, dass Gold keine Zinsen oder Dividenden abwirft. Jedes Sparbuch bringt mehr.

Vor allem aber schwankt der Goldkurs, dass jedem Anleger schwindelig werden müsste. So reichen selbst die derzeitigen Höchststände nicht an die Rekordkurse von 1980 heran, als eine Unze Gold in heutigen Preisen fast 2.000 Dollar wert war. Doch statt weiter zu steigen, halbierte sich der Kurs in den nächsten zwei Jahren, um dann auf Jahrzehnte vor sich hin zu dümpeln. Erst seit 2002 zieht der Goldpreis wieder an. Es ist also absurd zu glauben, Gold würde garantiert gegen die Inflation schützen. Stattdessen hat ein Anleger etwa die Hälfte seines Anlagevermögens verloren, falls er 1980 Gold gekauft und bis 2005 gehalten hat.

Beim Gold geht es ums Timing – wie bei allen Spekulationsobjekten, ob es nun Aktien, Immobilien, Staatsanleihen oder andere Rohstoffe wie Öl sind. Doch gekonnte Spekulation ist ein zynisches Geschäft. Sie versucht gerade nicht zu ermitteln, wie viel Wert ein Gegenstand „an sich“ haben könnte, sondern wohin die Horde der Spekulanten trampelt. Wenn nur genügend Anleger glauben, dass der Goldpreis steigt – dann wird er steigen, schlicht weil so viele Anleger Gold ordern.

Zu den Weisheiten der Spekulation gehört aber auch: Die Kleinanleger merken immer als Letzte, wohin die Herde der professionellen Zocker trabt. Schon deswegen sollte jetzt jeder Normalbürger sein Gold verkaufen. Mehr Profit ist sicher nicht zu haben. ULRIKE HERRMANN