LESERINNENBRIEFE
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Neues Sorgerecht macht Sorgen

■ betr.: „Im Namen des Vaters“ u. a., taz vom 4. 8. 10

Na bravo! Nun hat also die Klage eines sensiblen Mannes, der nur wenige Monate mit seiner damals schwangeren Freundin zusammenlebte, den Stein ins Rollen gebracht. Ledigen Vätern wird über kurz oder lang das Sorgerecht zugesprochen, ohne dass die dazugehörigen Mütter ihr Veto einlegen können. Warum die Mutter „am liebsten keinen Umgang mit dem Vater mehr haben will“, steht nicht zur Debatte. Stattdessen wird a priori zum Wohl des Kindes entschieden, dass ab sofort jeder Vater, sei er auch noch so schäbig mit der Mutter umgegangen, seinen Anteil am Sorgerecht bekommt.

„Zeitgemäß“ nennt sich das, wo es immer mehr ledige Eltern gibt und das Modell Familie offenbar allmählich entzaubert wird. Zeitgemäß ist aber auch, dass es weit mehr alleinerziehende Mütter als Väter gibt. Dass Frauen nach wie vor im Falle einer Mutterschaft ganz flott ihren Job los sind oder keinen Job mehr bekommen. Oder dass der Job, den sie nun einmal haben, unter keinen Umständen mit einem Kind zu vereinbaren ist. Zeitgemäß ist auch, dass zunehmend viele Frauen ihr erstes Kind erst mit Ende zwanzig oder Anfang dreißig bekommen. Gesetzt den Fall, der Erzeuger hält die erste Schwangerschaft noch durch (weniger Sex, mehr Verantwortung) und überlebt noch die zweite (noch weniger Sex und noch mehr Verantwortung), und geht dann doch, dann sind für die dumme Mutter leider inzwischen mehrere Klappen zugeschnappt: Die Chancen auf eine neue Beziehung tendieren gegen null, denn welcher Mann lässt sich auf eine zweifache Mutter-Frau Ende dreißig Anfang vierzig ein? Die beruflichen Möglichkeiten als alleinerziehende Mutter sind in Deutschland auch nicht die besten. Wenn die Frau arbeitet, wird sie unter Umständen ein logistisches Wunder vollbringen müssen. Und wenn mit den Kindern was schiefgeht, kann ab jetzt der sorgeberechtigte Vater laut schreien. Mit Recht. Dass dieser jedoch in den Stunden der Not niemals dort war, wo er eigentlich hingehörte, das spielt eben nunmehr keine Rolle mehr. Und des Kindes Wohl ist nach höchstrichterlicher Auffassung auch nicht gefährdet durch derart Zorn erbringende Bevorteilung des starken Geschlechts.

In welcher Welt leben wir, dass wir zunehmend Gesetze bekommen, die Männer in den Stand versetzen, sich in Dinge einzumischen, die sie doch jahrelang nicht im Mindesten interessiert haben? Und welcher Richter glaubt denn ernsthaft, dass das Brut- und Brunstverhalten der Männer durch die Erteilung eines Rechts zur Sorge geändert würde im Sinne ihrer eigenen Emanzipation? Vor einiger Zeit gab es im Unterhaltsrecht eine Änderung in der Hinsicht, dass Väter, wenn sie erneut Väter werden, zuerst für die neuen Kinder und dann erst für die vorherigen Kinder aufzukommen haben. Auch dies ist zeitgemäß, denn wo es wenig Nachwuchs und wenig Arbeit gibt, ist es gut, dafür Sorge zu tragen, dass die Frauen befruchtet und beschäftigt werden. Wem es wie wohl zu gehen hat und wer in wessen Arbeit reinquatscht, das regelt dann der Staat.

ESTHER HOTTENROTT, Berlin

Postfaschistisches Mutterbild

■ betr.: „Vater ist nicht gleich Vater“, taz vom 4. 8. 10

Simone Schmollack hat recht, aber „Mutter ist nicht gleich Mutter“ stimmt ebenso. Deutschland leidet, und das ist vielen Frauen anscheinend nicht klar, unter einem postfaschistischen Mutterbild, das eben diese automatisch als „gut“ abstempelt. Sie muss es eben nicht beweisen. In diese Kerbe trifft obiger Kommentar. Vielen Männern war es bisher verwehrt, „Sinnvolles“ mit ihren Kindern anzufangen. Dass ein Grund dafür die Reduzierung auf den Zahlvater sein könnte, scheint der Autorin entgangen zu sein. Vielleicht sollte man sich dahingehend einigen, dass einerseits gleiche Rechte für beide Elternteile schon lange überfällig waren und es andererseits auf beiden Seiten schwarze Schafe gibt und nicht eine Seite engelsgleich von Kritik ausgenommen ist. DETLEF LAUE, Oldenburg

Frauenverachtung

■ betr.: „Selbstmitleid im Szenecafé“, taz vom 30. 7. 10,

Traurig, dass auch in der taz die Frauen sich bekriegen, anstatt Solidarität zu üben. Vorwurf an die Westfrauen: Ihr macht euch vor, der Mann versorgt euch (bis er geht)! Vorwurf an die Ostfrauen: Akzeptiert doch nicht, immer auf der Überholspur zu fahren! Wo bleibt euer und das Wohl des Kindes?

Akzeptieren wir doch einfach, dass nicht alle Frauen die gleichen Fähigkeiten im Umgang mit Kindern haben. Was ist das für eine Gesellschaft, in der die einen Frauen verachtet werden, weil sie sich intensiv und aus Berufung um ihre Kinder, oft auch um die anderer Leute, kümmern? Und in der die anderen Frauen verachtet werden, weil sie sich eben nicht zur hauptamtlichen Mutter berufen fühlen und ihren Beruf gerne weiter ausüben wollen? Warum erkennen wir nicht an, welch wichtiges und unverzichtbares Potenzial wir mit Frauen (oder auch Männern) haben, die mit Freude, Ausdauer, Gelassenheit und guten Nerven den Kindern täglich (und auch nachts) zur Verfügung stehen und so die vor allem in den ersten Jahren dringend notwendige Geborgenheit vermitteln? Andererseits wäre es doch genauso falsch, Eltern zu zwingen, wegen des Kindes auf ihren Beruf zu verzichten. Beide Lebensentwürfe sind gleich wichtig und daher auch als gleichwertig anzuerkennen.

Warum bekriegen wir uns gegenseitig, anstatt zu fordern, woran es wirklich mangelt: die gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung der Erziehungsleistung! Ein existenzsicherndes Erziehungsgehalt und eine Übernahme der Existenzkosten des Kindes durch die Gesamtgesellschaft ermöglichte problemlos beide Lebensentwürfe zum Wohl unserer Kinder.

WALTRAUD FAASS, Straubenhardt-Feldrennach